Ihr redet da von sehr verschiedenen Dingen.
Leute, die so Sachen sagen wie "ich hasse mich" oder "ich habe es nicht verdient, glücklich zu sein", hassen sich gar nicht, sondern stecken in Selbstmitleid fest. Darin kann man sich furchtbar fühlen und gleichzeitig traurig über das eigene Los im Leben sein, parallel aber ist das eine sehr bequeme Situation und durch dieses anscheinend schlimme Los im Leben, kann man sich als "Versager" ausruhen und muss gar nichts für das eigene Glück tun. Letztlich ist ein Mensch, der da feststeckt, in einer gewissen melancholischen Höhe, das ganze nach außen getragene Negative ist nichts anderes als Selbstliebe. Es ist wie das Weinen, traurig, aber doch auch erleichternd. Das Problem ist nur, dass die meisten nach dem weinen, ihr Gesicht waschen und eine neue Perspektive sehen, Leute, die sich selbst bemitleiden, aber Schwierigkeiten haben da rauszukommen.
Selbstmitleid ist kein Krieg, eher eine Kriegsruine, die niemand wieder aufbauen möchte. Das gibt es in allen Altersgruppen, speziell so in dem Alter hier (wozu ich mich auch zähle), hat das ganze aber auch noch eine tragische Romantik, woran sich einige ziemlich ergötzen. Es gibt Leute, denen es schlecht geht, die aber ihre Lebensgeschichte mit ein paar fiktiven traumatischen Erlebnissen ergänzen müssen, um die nötige Glaubhaftigkeit für sich und andere zu präsentieren. Viele wachsen da raus, einige stecken aber mit dreißig immer noch darin und denken, die Welt schuldet ihnen das Glücklich sein oder irgendetwas anderes in der Richtung.
Niemand schuldet irgendwem irgendetwas. Wenn man wirklich aus dem Trott rauskommen möchte, wirklich von tiefstem Herzen möchte, dass es einem besser geht, so wird man es wenigstens versuchen, so wird man sich nicht in den Sumpf legen und allen erklären, dass man es verdient hätte, dort zu liegen, damit - und das ist doch meistens die Wahrheit - alle verbal oder wirklich den Kopf streicheln und ihre Hand zum neunundneunzigsten Mal ausstrecken und ihre Hilfe anbieten, nur damit man sich im Sumpf suhlend verwehren kann, denn man hätte es ja nie verdient. Denn wehe man bewegt sich aus dem Sumpf, mit all seinem Schlamm stünde man auf und versuchte, in diesen Krieg zu ziehen. Das wäre Krieg. Um etwas kämpfen, sei es nobel oder furchtbar, ist Krieg, alles andere ist eine Sackgasse.
Innerer Krieg ist für mich etwas anderes. Für mich bedeutet das, eine Bewegung, eine Selbstveränderung in vielerlei Hinsicht. Wenn jemand Karate-sensei werden möchte, ist das für mich ein Krieg bis hin zum inneren Frieden, wenn man dieses Ziel erreicht hat. Genau so, aber viel tragischer und ernster ist es das, wenn jemand eine schreckliche Erfahrung machen musste und diese endlich verarbeiten und für sich beherrschen möchte, um nicht mehr darunter zu Leiden. Das ist Krieg. Der Weg zum Frieden oder das, was man dafür hält. Ich bin in vielerlei Hinsicht mit mir in Frieden, in anderen Belangen aber toben Kriege in mir, manche dieser Kriege sind sehr fair, andere sind schmutzig und grauenvoll. Vielleicht werde ich nie in Frieden sterben. Aber es gab diese sehr schöne Passage(1) aus dem Steppenwolf:
Zitat:
Merkwürdig war der Blick, mit dem Hermine mich nun ansah, ein Blick voll
Belustigung, voll Spott und Schelmerei und verständnisvoller Kameradschaft
und zugleich so voll Schwere, Wissen und abgründigem Ernst!
«Das sollst du nicht», sagte sie ganz mütterlich. «Dein Leben wird auch
dadurch nicht flach und dumm, wenn du weißt, daß dein Kampf erfolglos sein
wird. Es ist viel flacher, Harry, wenn du für etwas Gutes und Ideales kämpfst und
nun meinst, du müssest es auch erreichen. Sind denn Ideale zum Erreichen da?
Leben wir denn, wir Menschen, um den Tod abzuschaffen? Nein, wir leben, um
ihn zu fürchten und dann wieder zu lieben, und gerade seinetwegen glüht das
bißchen Leben manchmal eine Stunde lang so schön. Du bist ein Kind, Harry.
Sei jetzt folgsam und komm mit mir, wir haben heut viel zu tun. Ich werde mich
heut nicht mehr um den Krieg und die Zeitungen kümmern. Und du?»
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(1) Vielleicht die einzige wirklich großartige.
Sicherlich ist es gut und nötig mit sich selbst und mit seiner Umwelt von Zeit zu Zeit in Konflikt zu treten, so lange aus diesen Konflikten Verbesserung hervor geht. Aus den grössten Krisen meines Lebens habe ich die herrlichsten Dinge gezogen, so wie zum Beispiel die Musik, die grössere Vertrautheit zu meinem Freund, ich habe deshalb zu backen begonnen, bin mir meinen eigenen moralischen Grundsätzen bewusster geworden... Aber wenn der Kampf nicht nur eine Phase ist, sondern ein ewig zerstörender Strudel, ist klar, dass das irgendwann umschlägt und nur noch destruktiv ist. Destruktion um neu und besser zu errichten; ja!, aber Destruktion um der Destruktion Willen sicherlich nicht.
