Der Sinn des Lebens

Alles ist neu. Nicht negativ neu, denn alle sind nett zu ihr, obwohl sie noch keiner wirklich kennt. Die Klasse gibt sich Mühe, damit sie sich von Anfang an gut zurecht findet. Heute wird sowieso noch nicht viel passieren. Es sind nur 6 Stunden und da die Ferien gerade erst vorbei sind, machen die Lehrer noch keinen Unterricht.

Was wohl ihre Freunde gerade machen? Ob noch an sie gedacht wird? Aber nicht zu viel nachdenken, denkt sie sich.

In der Pause kommen direkt ein paar Kinder aus ihrer Klasse zu ihr und reden mit ihr. Stellen Fragen über die alte Schule, wieso sie jetzt hier ist. Sie erzählt alles und stellt ein paar Fragen zu der Umgebung, der Schule und dem Unterricht. Alle sind weiterhin freundlich zu ihr. Im Unterricht bemerkt sie schnell, dass sie mit ihrer alten Klasse viel weiter gewesen ist. Ein Vorteil. So hat sie erst einmal genug Zeit, um sich der Umgebung anzupassen.

In der nächsten Pause fragen sie direkt einige nach ihrer Handynummer. Es ist erneut eine Überraschung für das Mädchen. Wenn es so weitergeht, wird sie bald nicht mehr ihrer alten Schule nachtrauern. Doch sie freut sich schon darauf, wenn sie ihre ganzen Freunde wieder sehen wird.

Noch 2 Wochen, dann wird ihr Vater geschäftlich dort zutun haben und sie mitnehmen – damit sie alle ihre Liebsten sieht.
Die Strecke ist nicht weit. Es ist sind ungefähr 45 Minuten mit dem Fahrrad, mit dem Auto natürlich weniger. Trotzdem ist sie sich nicht sicher, ob es sie nicht verletzen wird. Sehen, wie alle weiterleben – sie ganz alleine. Doch dann denkt sie daran, dass sie auch hier schon einige Freunde gefunden hat. Sie lächelt.

Gestern noch, ist sie noch bei ihren Freunden gewesen, heute schon hier. Bei den neuen Freunden. Die Pause ist vorbei und jetzt hatte sie noch eine Doppelstunde Religion. Dieses Fach mag sie nicht sehr gerne, sie hat bis jetzt immer nur schlechte Lehrer gehabt. Trotzdem gibt sie sich Mühe, damit der Lehrer keinen schlechten Eindruck von ihr hat. Sie versucht viele gute Sachen zum Unterricht beizutragen. Nach der Stunde holt der Lehrer sie zu sich und lobt sie. Sie ist so glücklich, wie lange nicht mehr. Hat sie es wirklich verdient, dass alles so toll läuft? Mehr fällt ihr dazu nicht ein.

Als sie nach Hause geht, denkt sie noch einmal über ihren bis jetzt erlebten Tag nach. Eigentlich ist es besser als vorher. Sie hat nie eine richtige beste Freundin gehabt. Alle sind so miteinander befreundet gewesen. Das möchte sie jetzt ändern. Eine beste Freundin – ein Mensch dem sie ALLES erzählen kann, ohne Angst haben zu müssen, dass es jemand anderes erfährt – ob sie es hier schafft so jemanden zu finden?

Als sie zu Hause ist, fragen ihre Eltern direkt nach ihrem Tag. Sie erzählt, dass alles gut gelaufen ist und geht in ihr neues Zimmer um Hausaufgaben zu machen. Sie macht das Radio an, damit ihr bei den Hausaufgaben nicht so langweilig ist. Ihr Lieblingslied kommt und sie fängt an leise mitzusingen. Sie weiß, dass ihre Freunde heute alle lange Unterricht haben. Also sitzen diese noch in der Schule. Wenn sie mit den Hausaufgaben fertig ist, werden ihre Freunde wohl gerade erst aus der Schule kommen, denkt sie sich. Ihr Lieblingslied ist vorbei und ein Neues kommt. Sie kennt es zwar nicht, aber es gefällt ihr.

Doch plötzlich wird es unterbrochen. Eine Durchsage kommt „Albert Einstein Schule in Frankfurt – Feuer…“ mehr versteht sie nicht.

Da sind alle ihre Liebsten. Dort ist auch sie bis gestern gewesen. Sie setzt sich sofort an ihren Laptop um zu gucken, ob im Internet etwas darüber steht. Sie hat Recht. Alle Seiten sind voll damit. Sie liest es sich durch. Das Feuer ist unbemerkt ausgebrochen, noch weiß niemand wieso. Es wurden schon Leichen geborgen. Ihr einziger Gedanke ist, dass sie zu ihren Freunden muss. Sehen, ob alle okay sind.

Sie liest weiter. Die Klasse 10c ist am Schlimmsten betroffen. Noch konnte keiner lebendig geborgen werden. Das ist ihre alte Klasse. Sie ist gestern noch da gewesen. Einige Leute ihrer alten Klasse sind tot. Sie wäre vielleicht auch gestorben, wenn sie noch da gewesen wäre. Sie rennt nach unten zu ihren Eltern. Sie haben es auch gerade gehört. Doch was soll sie jetzt tun?

Die Angst um ihre Freunde steigt von Sekunde zu Sekunde. Der Fernseher läuft ununterbrochen weiter, damit sie keine Neuigkeiten verpasst. Dann kommt die Meldung: Es wurden noch lebende Menschen aus der Klasse 10c geborgen. Direkt vor der Klasse ist das Feuer ausgebrochen, weshalb sie keine Möglichkeit hatten, zu flüchten. Die Geborgenen sind nicht schwer verletzt – sie werden, so wie es aussieht, überleben.
Aber es sind nur 7 Personen. Von 32.

Nach weiteren 2 unerträglichen Stunden gibt es erste Ergebnisse. Der Tod von 400 Menschen ist zu diesem Zeitpunkt bekannt. 346 davon sind direkt in der Schule gestorben. 346 von 1239. Weitere 743 sind im Krankenhaus. Bei 319 davon ist nicht klar, ob sie überleben. Der Rest ist zwar nicht körperlich verletzt, aber nicht zu wenige werden Angststörungen haben.

Wäre es einen Tag vorher passiert, wäre sie jetzt vielleicht tot. Es sind nicht einmal 24 Stunden seit dem Umzug vergangen… Wieso ist das passiert? Wieso ist der Umzug nicht zwei Tage später gewesen? Oder sogar nur einen? Dann wird ihr klar, was der Sinn des Lebens ist…

"Der Sinn des Lebens" ist in meinem Ranking auf Platz 7 gelandet.

Vorweg mal gesagt, ich mag die Erzählweise hier, also vor allem die Kombination Sie-Perspektive und Präsens. Das liest sich meiner Meinung nach sehr schön und flüssig und ich weiß nicht, warum, aber ich habe ein kleines Faible für Geschichten, in denen man den Namen des Protagonisten nicht erfährt.

Allgemein fängt die Geschichte stark an und lässt gegen Ende nach. Während der Beginn von Alltäglichem erzählt und man sich gut in die Hauptperson hineinversetzen kann, wirkt der Schluss etwas unrealistisch und krass. Ich hätte jedenfalls nicht erwartet, dass die Handlung so ausgehen wird, und das spricht einerseits für dich, weil ein überraschendes Ende immer besser ist als ein vorhersehbares, andererseits nimmt es der Geschichte jedoch ein wenig die Seriösität.

Stilistisch her waren es mir auch etwas zu viele Zahlen... selbst die Nachrichten sind bei ihren Berichterstattungen oft nicht so genau. In einem gewöhnlichen Bericht würde man wahrscheinlich eher etwas grober runden. Außerdem glaube ich, dass bei einem Schulbrand die Opferzahlen weitaus niedriger wären; wenn ich mir meine bisher erlebten Probealarme so anschaue, muss das Feuer wirklich unglaublich verheerend gewesen sein.

Formulierungen betreffend kannst du etwas an deiner Wortwahl feilen, weil sich einiges wiederholt, aber da es sich bei der Hauptperson um eine gewöhnliche Schülerin handelt, ist hier kein aufwendig ausgeschmückter Stil vonnöten. Ich mag es, dass das Ende etwas offen ist, also nicht verraten wird, welche Erkenntnis das Mädchen bezüglich des Lebenssinns nun hatte.

Insgesamt ist "Der Sinn des Lebens" eine ordentliche Geschichte, bei der man hier und da vielleicht ein wenig hätte sparen und an anderer Stelle etwas drauflegen können. Ansonsten hoffe ich, beim nächsten Schreibwettbewerb wieder von dir zu lesen!

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The king's spirits are low; what for, then, should the concubine live?