Hallo Mangosorbet,
da Du den Wettbewerb gewonnen hast, bekommst Du auch das erste Feedback von mir. Erst einmal Glückwunsch zum Sieg!
Ich hatte schon vermutet, dass diese Geschichte von Dir ist, obwohl ich noch nie eine von Dir gelesen hatte. Warum? Nun, weil sie definitiv aus der Schweiz kommt ("weiss") und Du die einzige Schweizerin bist, von der ich sicher wusste, dass sie teilgenommen hat.
Bei mir ist Deine Geschichte nur auf Platz 6 gelandet. Warum das? Nun, allgemein ist festzuhalten, dass die Gründe im inhaltlichen Aufbau der Geschichte liegen - ich werde gleich näher darauf eingehen - und nicht im sprachlichen Bereich. Ganz allgemein habe ich zum sprachlichen Bereich nur Notizen gemacht, wenn ich etwas entweder herausragend oder störend (oder fehlerhaft) fand; es wäre einfach viel zu aufwendig, in jeder Geschichte alle Formulierungen zu besprechen. Hier passt im sprachlichen Bereich alles, man kann die Geschichte sehr gut lesen, aber die Formulierungen hauen einen jetzt großteils auch nicht vom Hocker.
Aber nun zur Sache:
Zu Beginn hat mir die Geschichte sehr gut gefallen, schon der Titel macht wirklich Lust auf die Geschichte und klingt auf gewisse Art geheimnisvoll, jedenfalls will man wissen, worum es da geht. Auch der erste Absatz, ist sehr schön formuliert und sticht auch sprachlich-stilistisch heraus. Da dachte ich, dass es für diese Geschichte womöglich (bei mir) weit nach oben gehen könnte. Achja, was mir auch sehr gefallen hat, was ziemlich zu Beginn kommt, ist die Sache mit dem Schwarz-weiß-Fernsehen; dass Gründel sich als Kind nicht vorstellen konnte, dass die Welt farbig war, wenn es das Fernsehen nicht war. Das kann man schon auch abgedroschen oder klischeehaft finden, aber ich mag es.
Skeptisch wurde ich, als das erste Mal "als Kind" auftauchte. Ich finde es ja schon grundsätzlich immer nicht so toll, alles auf die Kindheit oder allgemein die Vergangenheit zurückzuführen; man muss nicht alles immer zurückführen auf irgendetwas, man kann den Farbenhass ja auch mal so für sich stehen lassen. Natürlich nicht bei der Konzeption dieser Geschichte, in der es gerade um die Herleitung geht - aber das wusste ich ja zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Das ist natürlich Geschmackssache; natürlich kann man eine "Krankheit" (im weitesten Sinne) auch auf ein Ereignis zurückführen, wenn man will - doch hier wird dies meiner Meinung nach nicht nur gemacht, sondern geradezu auf die Spitze getrieben! Es geht ewig um nichts anderes. Ich wollte eigentlich eine Geschichte über Gründels Umgang mit Farben lesen, zum Beispiel etwas mehr darüber, dass er als einziger "die beruhigende Kraft der Farbe Schwarz erkannte" (gute Formulierung!) - das wäre doch ein sehr interessantes Thema gewesen, und vor allem hätte es auch sehr gut zum Titel gepasst. Stattdessen wird fast zwei Seiten lang (!) ununterbrochen in der Vergangenheit rumgerührt, und zwar en détail: Zunächst aus einer Außensicht, wonach Gründels Eltern keine Ahnung hatten und die Psychiater auch nicht wirklich; und dann noch einmal ebenso umfassend aus einer Innensicht, da Gründel selbst sein Schicksal ganz genau auf ein Ereignis zurückführuen kann. Und als würde es nicht reichen, dass dieses Ereignis in kursiv geschildert wird, wird es dem Leser auch noch mit dem Holzhammer eingetrichtert: "[Die Mutter], die ihm sein schweres Schicksal in die Hand gegeben hat" (korrekt übrigens: gegeben hatte; Vorzeitigkeit beachten!). Man hätte auch schreiben können: "Sieh her, dummer Leser, der Du es noch immer nicht kapiert hast: Das Kursive von oben ist der Grund für Gründels Problem!" Gerade dieses nochmalige Explizitmachen fand ich
sehr störend; ich mag es einfach nicht, als Leser für so dumm gehalten zu werden, dass alles vorgekaut werden muss. Wenn man das Kindheitserlebnis schon (kursiv, und dadurch ohnedies hervorgehoben!) schildert, hätte man es wenigstens für sich stehen lassen können - und alles wäre trotzdem klar gewesen. Als dann anschließend
noch ein Abschnitt kam, der über die Vergangenheit psychologisiert hat (hier über die Mutter, über falsche Denkmuster und Ohrfeigen als Unfall), hatte ich dann wirklich fast keine Lust mehr. Obwohl diese Geschichte keineswegs die längste im Wettbewerb ist, ergeben sich hier wahnsinnige Längen.
Als dann die reine "Vergangenheitsbewältigung" durch ist und die Geschichte eigentlich endlich inhaltlich Fahrt aufnehmen könnte, ist diese auch schon fast zu Ende. Da heißt es: "Stattdessen
begann Gründel nach Lösungen zu suchen." Und im nächsten Satz hat er die Lösung auch schon gefunden: "Er wollte sein Augenlicht verlieren." Wo war die Suche gleich noch...? Das wäre interessant gewesen, ist aber leider überhaupt kein Gegenstand der Geschichte. Stattdessen erfolgt eine Und-dann-und-dann-Beschreibung davon, wie er sein Augenlicht zu verlieren gedenkt und dabei scheitert.
Im Schlussabschnitt stehen dann Sätze wie "Er wird nie wieder kein Blut mehr sehen." Toll! Das sind Sätze, wie ich sie liebe! Auch die Idee, dass das Feuerwerk die Farben sind, die ihren Sieg feiern, ist wirklich gut und auch gut umgesetzt! Da dachte ich mir wirklich: Schade! Wenn die Autorin solche Sätze zu schreiben in der Lage ist, wäre da irgendwie mehr drin gewesen. Und außerdem dachte ich: Warum heißt die Geschichte jetzt gleich noch "Gründels Schwarz"? Schwarz und dessen beruhigende Wirkung auf Gründel war irgendwie kein wirkliches Thema, wurde nur sehr kurz angesprochen. Gerade das ist sehr schade, denn gerade durch diesen Punkt wäre meiner Meinung nach deutlich mehr rauszuholen gewesen!
Oben habe ich bereits einmal das Tempus angesprochen; in sehr vielen der Geschichten sind mir diesbezüglich Ungereimtheiten aufgefallen, so auch hier an ein paar Stellen. Diese Geschichte hat, wie die mit großem Abstand meisten Geschichten in deutscher Sprache, als Erzählgegenwart das Präteritum. Die Vorzeitigkeit dazu ist das Plusquamperfekt.* Und, fast noch wichtiger, weil es einen immer "rausreißt" aus der Geschichte: Auch Dinge, die allgemeingültig sind, stehen im Präteritum! Wenn eine Geschichte (bzw. bei einer aus verschiedenen Abschnitten bestehenden Geschichte: ein Abschnitt einer Geschichte) im Präteritum angelegt ist, gibt es die Zeitform des Präsens in dieser Geschichte nicht (außer natürlich in wörtlicher Rede, ob mit oder ohne Anführungszeichen, eh klar!^^), da dann das Präteritum schon die neutrale Erzählerform ist; mehr als Gegenwart geht quasi nicht. Warum schreib ich das hier? Weil es in der Geschichte den Satz gibt: "Je früher man gegen ein Problem ankämpft, desto weniger kämpft das Problem gegen die Lösung." Und der gehört, wie der Rest der Geschichte, ins Präteritum.
Ich war diesbezüglich nicht immer so pedantisch, seit Kurzem bin ich es aber; jedoch: Auf die Bewertung hatte das keinen Einfluss, nicht zuletzt deshalb, weil fast jede Geschichte den einen oder anderen kleinen Fehler im Tempusgebrauch hatte.
Was gibt es sonst noch zu sagen? Das Rot des Blutes, das sich mit dem Rot der Wasserfarben vermischt, fand ich ein schönes Bild, das ist im Kopf geblieben. Und an manchen Stellen zeigen sich Probleme (oder Flüchtigkeitsfehler) bei der Unterscheidung von "dass" und "das". Hier bietet es sich an, seine Geschichte korrekturlesen zu
lassen; denn eigene Fehler findet man nach einiger Zeit meist nicht mehr.
*) Nur wenn eine Rückblende geschrieben wird, die im Plusquamperfekt eingeleitet wird, wechselt man innerhalb der Rückblende zurück ins Präteritum und spart sich die umständliche Form (kann man; muss man nicht). Das ist aber an der oben angesprochenen Stelle nicht der Fall, dort steht die Vergangenheitsaussage in einem Nebensatz neben der Gegenwartsdarstellung.