rockdog hat geschrieben:
Eigenverantwortung ist wichtig und ein hohes Gut, da stimme ich dir vollumfänglich zu! Jedoch benötigt ein Land, ein Staat, ein Staatenbund, ja sogar Kleinverbände wie Familien immer wieder, das ein Mensch mehr gibt als empfängt. Dies bedeutet jedoch stets, das in Zusammenschlüssen mehrerer Menschen einer trotz seiner Eigenverantwortung für sein Wohl zurücksteckt um der Allgemeinheit zu einem besseren Status zu verhelfen. Nehmen wir mal als ein vom Militär abweichendes Beispiel den Feuerwehrmann; Er betritt brennende Gebäude, um das Leben andere zu rettenund riskiert dabei, das er Schäden erleidet. Hier sind sich fast alle unstreitig einig, das dieser das bestmögliche Equipment verdient, um Schaden an Ihm und seinem Leben zu vermeiden, oder?S
ei es wenn ein Land, sowie es häufig gefordert wird, seine Spitzenverdiener höher besteuern will, die also monetäre Nachteile auf sich nehmen für das Wohl der Allgemeinheit.
Militär ist natürlich immer ein Punkt , der extreme Sichtweisen herausfordert, da die meisten Menschen Krieg verachten und ihn absolut vermeiden möchten. Doch seien wir mal klar und ehrlich, dies ist in der Menschheitsgeschichte nie erreicht worden , das der Planet Erde kriegsfrei wird. Ergo werden Menschen benötigt, die Aggressoren entgegentreten.
Du sprichst Serbien an, war es nicht damals so, das ein Grossteil auch der Deutschen die Bilder fliehender Kinder oder Familien gesehen hat und ein Aufschrei durchs Land ging: Es müsse etwas unternommen werden? Wie sollte dieses "etwas" denn Aussehen wenn nicht militärisch? Milosevic und Konsorten waren seinerzeit nicht wirklich bereit, sich mit dem Rest der Welt über Fluchtkorridore für Zivilisten freiwillig zu unterhalten. Leider ist es so, das dort ein zustand erecht wurde, in dem nur noch Gewalt als letztes Mittel vermeiden konnte, das noch mehr Menschen, insbesondere Zivilisten, zu Schaden kommen. In diesen Momenten werden Menschen benötigt, die trotz Ihrer Eigenverantwortung bereit sind, für das Leben und die Unversehrtheit anderer einzustehen und notfalls Ihr leben aufs Spiel zu setzen. Und ob das nun ein Rekrut oder Berufssoldat ist , macht in meinen Augen keinen Unterschied, da ich im Wert des jeweiligen Menschenleben keinen Unterschied erkennen kann.
Und rechts oder konservativ heisst eher pro Polizei oder Militär das muss ich zustimmen, Menschen die Autoritäten und Verantwortung für ihr Handeln gerne abgeben, von denen ist nunmal nicht damit zu rechnen das sie zum Wohl andere persönliche Nachteile in Kauf nehmen, weil es eben nicht zu deren Weltbild passt das man Pflichten, die über das Mindestmaß hinausgehen erfüllt.
Dies ist in meinen Augen alles Grund genug, das wir als Allgemeinheit eine gewisse Verpflichtung haben Soldaten entsprechend auszurüsten, damit sie dann, wenn alle Aufschreien: es muss etwas getan werden etwas getan werden kann und dabei das Risiko derer die es tun gemindert wird.
Ich gehe einmal deine Punkte, die du ansprichst, durch.
Um eine logische Struktur mit einem roten Faden zu erreichen, beginne ich mit dem, was du zuletzt geschrieben hast.
Du schreibst, dass die Allgemeinheit eine Verpflichtung hat, die Soldaten entsprechend auszurüsten und deshalb der Militäretat dringend erhöht werden muss. Dieses Narrativ der Politik höre ich immer wieder.
Gehen wir mal zurück in die Sechziger Jahre, zum Zeitpunkt als der Kalte Krieg zwischen der NATO und dem Warschauer Pakt eskalierte. Berliner Mauer, Kubakrise usw. Ich kann mich noch daran erinnern, wie damals immer wieder gesagt worden ist, dass die Bundeswehr eine Stärke von 495000 Personen haben muss.
Ich habe gerade in der Statistik nachgeschaut: 1970 hatte die Bundeswehr eine Stärke von 468484 Personen. 2020 hatte die Bundeswehr eine Stärke von 183969 Personen.
https://de.statista.com/statistik/daten ... undeswehr/Nun zum Verteidigungsetat. 1970 betrug der Verteidigungsetat 10 Milliarden €, 2020 waren es 52,8 Milliarden €.
Wie sieht der Preisindex zwischen 1970 und 2020 aus?
Schauen wir uns einmal die Inflationsraten in Deutschalnd seit 1970 an:
https://www.hypochart.de/inflation/ursa ... eutschland2020 kostet also ein Produkt im Vergleich zu 1970 also etwa das 3,7-Fache.
10 Milliarden € von 1970 entsprechen also heute etwa 37 Milliarden €. Der Verteidigungsetat beträgt aber mit 52,8 Milliarden € aber deutlich mehr als 37 Milliarden €, nämlich mehr als das 1,4-Fache.
Jetzt frage ich dich: Wenn
REAL heute im Vergleich zu 1970 die Bundeswehr 40 % mehr Geld hat, aber statt 468484 Personen nur noch 183969 Personen auszurüsten sind, also über 60 %
WENIGER als damals, sodass real heute pro Soldat
mehr als die dreifache Summe zur Verfügung steht, wie kann es dann sein, dass kein Geld für die Ausrüstung da ist?
Ich verrate es dir:
Das Geld wird gnadenlos verplempert für völlig sinnlose und horrend teure Prestigeprojekte, die kein Mensch braucht.
Die Erfahrung zeigt, dass der Staat, wenn er zu viel Geld hat, es sinnlos verplempert. Das ist übrigens ein Grund, warum ich strikt dageben bin, die von dir genannten Spitzensteuersäze zu erhöhen.
Der Staat soll verdammt noch mal vernünftig wirtschaften, anstatt immer mehr die Leute zu enteignen. Als Wirtschaftler kann ich dir sagen, dass der Mensch dazu neigt, fremdes Geld sinnlos zu verprassen. Es gilt die Regel: In fremden Händen wachsen nur zwei Dinge: Schulden und Penisse.
Ich kann dir auch aus meinem Fachbereich etliche giantische Fehlplanungsprojekte vorstellen: Stuttgart 21, Bahnhof Hamburg-Diebsteich, Zweite Stammstrecke, usw.
Die Bundeswehr hat viel zu viel Geld. Ich bin sogar dafür, die Bundeswehr komplett abzuschaffen und sich damit zu begnügen, dass die 30 NATO-Staaten eine einzige Armee zur Bündnisverteidigung aufstellen. Auf Deutschland würden dann nach meiner Vorstellung maximal 80000 Soldaten entfallen statt 180000 wie heute.
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Der nächste Punkt, der mir an deinem Posting auffällt ist, dass du
keinen Unterschied zwischen Verteidigung und Angriff machst.
Die Verteidigungsaufgaben sind klar definiert.
Das Gebiet der NATO ist zu verteidigen und die Einsätze sind demzufolge auf das NATO-Gebiet zu beschränken.
Wenn ein Soldat das NATO-Gebiet verteidigt, dann genießt er den Rückhalt, den du einforderst. Soweit gehe ich mit dir d´accord.
Wenn ein Soldat sich aber außerhalb des NATO-Gebietes befindet, dann gilt das eben nicht.
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Der nächste Punkt, der mir missfällt, ist die Verbiegerei des Rechts nach Gutdünken der politischen Klasse.
Im Völkerrecht ist klar definiert, wann ein Staat Gewalt anwenden darf.
1. Der Staat wird angegriffen.
2. Beschluss des UN-Sicherheitsrates.
Hat Serbien damals einen anderen Staat angegriffen?
Nein!
Gab es einen Beschluss des UN-Sicherheitsrates Serbien anzugreifen?
Nein!
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Unsere politische Klasse legt ständig Wert darauf, dass das Recht gilt. Warum missachtet sie es denn dann selbst?
Nebenbei bemerkt: Der Völkermord in Ruanda war
BEI WEITEM gigantischer, als derjenige in Serbien und es hat keine Sau interessiert!
Es geht hier
nicht um Recht. Es geht einfach darum, dass Politik nichts anderes ist als
Vertretung von Interessen. Hat man irgendwelche wirtschaftliche Interessen, dann kümmert man sich darum, hat man keine wirtschaftlichen Interessen, dann ist es egal.
Mir als Wirtschaftler ist klar, dass die Menschen so ticken, aber man sollte sich doch keine Illusionen machen und irgendwelche heuchlerische Gutmenschengeschichten erzählen.
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Der nächste Punkt liegt in der Interpretation der Annexion der Krim durch Russland.
Fakt ist, dass die Krim bis 1954
NIE ukrainisch war.
Der Ukrainer Chruschtschow wollte aber unbedingt, dass die Krim von Russland abgerennt wird und ukrainisch wird. Stalin lehnte das ab. Kaum war Stalin tot und der Ukrainer Chruschtschow die Nummer 1 in der Sowjetunion, trennte er
ohne Volksabstimmung und ohne Diskussion 1954 nach Stalins Tod die Krim einfach von Russland ab und fügte sie an die Ukraine. Da die Sowjetunion eine Diktatur war und zudem der Gebietswechsel innerhalb der Sowjetunion geschah, gab es damals keine Proteste.
1992, nach dem Zerfall der Sowjetunion, wollten die Krimbewohner eine Volksabstimmung, doch die Ukraine lehnte das damals ab. Da ungefähr 70 % der Krimbewohner Russen sind, befürchtete die Ukraine, dass die Menschen sich für eine Rückkehr nach Russland entscheiden würden, da die Krim historisch nie zur Ukraine gehörte.
Hierzu will ich ein fiktives Analogon zu Deutschland aufstellen.
Politisch gehört Aschaffenburg zu Bayern.
Verkehrsplanerisch jedoch gehört Aschaffenburg zur Metropolregion Rhein/Main, also Frankfurt(Main). Da verkehrsplanerisch viele Aufgaben Ländersache sind und es Sinn ergäbe die S-Bahn in Frankfurt bis nach Aschaffenburg zu verlängern, wäre es verkehrsplanerisch durchaus sinnvoll, dass Aschaffenburg von Bayern nach Hessen wechselt.
Nehmen wir fiktiv an, dass Aschaffenburg ohne Volksabstimmung von Bayern nach Hessen wechselt und nehmen wir fiktiv an, dass Deutschland danach in 16 souveräne Staaten - ehemals Bundesländer - zerfällt. Dann ändert sich die Geschäftsgrundlage und dann müsste man den Aschaffenburgern das Recht einräumen, darüber abzustimmen, ob sie wieder nach Bayern wollen.
2014, war die fingierte Volksabstimmung auf der Krim gefälscht. 95 % Zustimmung war unrealistisch. Politische Beobachter schätzen, dass bei einer fairen Volksabstimmung 70 % für eine Rückkehr der Krim nach Russland gestimmt hätten. Im Thread Ukraine vs. Russland habe ich seitenlang alles aufgedröselt. Hier will ich das nicht alles wiederholen. Im Thread Israel vs. Palästina habe ich zudem erläutert, warum der Westen Israel verschiedene Annexionen durchgehen lässt, aber in der Causa Krim harte Maßstäbe anlegt.
Interessant ist nun folgendes:
Der Westen gestand Eritrea zu, sich von Äthiopien abzuspalten und auch dem Südsudan, sich von Sudan abzuspalten. Im Falle des Kosovo setzte der Westen die Abspaltung von Serbien sogar gewaltsam durch. In Quebec und in Schottland gab es sogar Volksabstimmungen.
Nur: Warum sollte bezüglich der Krim auf einmal alles anders sein?
Ganz einfach: Die NATO wollte nach einem Beitritt der Ukraine auf der Krim einen militärischen Stützpunkt errichten, was unmöglich wäre, wenn die Krim russisch ist. Außerdem hat dann nach den Vorstellungen der NATO Russland viel zu viele Hoheitsgewässer im Schwarzen Meer, wenn die Krim russisch ist.
Auch hier wieder: Politik = Vertretung von Interessen.
Es ist keinesfalls so, dass der Westen sich erlauben kann, auf einem hohen moralischem Ross zu sitzen und so zu tun, wie wenn er die Weisheit mit Löffeln gefressen hätte.
Auch muss man feststellen, dass die Ukraine - genauso wie Bosnien-Herzegowina - in der Denkweise der Bevölkerung hochgadig zersplittert ist.
Während der Westen der Ukraine und die Mitte der Ukraine sich Richtung Westen orientiert und von Russland überwiegend nichts wissen will, fühlen sich die Bewohner der Oblasten Donezk und Lugansk überwiegend eher zu Russland hingezogen.
Ich schätze, dass vor dem Angriffskrieg der Russen auf die Ukraine etwa 70 % pro EU und ca. 30 % pro Russland waren. Jetzt, nach dem verheerenden Angriffskrieg Russlands würde ich das Verhältnis auf etwa 90 % pro EU und 10 % pro Russland schätzen.
Klar ist, dass ein Friedensvertrag zwischen der Ukraine und Russland unbedingt notwendig ist.
Wie könnte ein Friedensvertrag zwischen der Ukraine und Russland aussehen?
Mein Vorschlag wäre wie folgt:
Die Krim gehört offiziell zu Russland.
In den Oblasten Donezk und Lugansk finden unter Aufsicht der UN Volksabstimmungen statt, in der die Einwohner entscheiden, ob sie zur Ukraine oder zu Russland gehören wollen.
Die Ukraine ohne die Krim und ggf. ohne die Oblasten Donezk und Lugansk wird von Russland als eigener Staat anerkannt.
Die Ukraine darf nicht der NATO beitreten und, sofern sie EU-Mitglied wird, darf sie nicht in künftige militärische Strukturen der EU eingebunden werden.
Die Ukraine darf die Krim nicht mehr von der Wasserversorgung durch Stilllegung des Krimkanals am Dnepr abschneiden.
Die Unterhaltskosten für die Wasserversorgung der Krim sind von Russland an die Ukraine zu erstatten.
Russland zieht sämtliche Truppen ab und verpflichtet sich die Ukraine nicht mehr anzugreifen.
Russland bezahlt mit einem Pauschalbetrag Reparationen an die Ukraine um die Kriegsschäden zu bezahlen.
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Ich meine, es wäre Aufgabe der UN jetzt schnellstmöglich Vorschläge für einen Friedensvertrag auf den Tisch zu legen.
Aber der riesige Beamtenapparat am East River in New York kommt - wie natürlich nicht anders zu erwarten - wieder einmal nicht in die Gänge.
Auch wenn Russland zweifellos für den Angriffskrieg verantwortlich ist, geht mir dieses pauschale Russlandbashing ganz gewaltig auf den Wecker.