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Weiblich 
BeitragVerfasst: Mo 26. Nov 2012, 20:56 
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Hallöli :girl:
ich wusste nicht genau, ob es so einen Thread schon gibt, deswegen dachte ich, ich eröffne einen.. Hier könnt ihr kleine Kurzgeschichten posten, die ihr irgendwo mal gefunden habt. Sie können traurig oder schön sein, zum Nachdenken anregen, whatever..

Dieses hier habe ich eben gefunden und ich muss echt sagen, dass mir fast die Tränen gekommen wären. :D Ich finde diese Geschichte eigentlich sehr schön.

Spoiler:
Eines Tages stand ein junger Mann mitten in der Stadt und erklärte, dass er das schönste Herz im ganzen Tal habe. Eine große Menschenmenge versammelte sich und sie alle bewunderten sein Herz, denn es war perfekt. Es gab keinen Fleck oder Fehler in ihm. Ja, sie alle gaben ihm Recht, es war wirklich das schönste Herz, das sie je gesehen hatten. Der junge Mann war sehr stolz und prahlte noch lauter über sein schönes Herz.
Plötzlich tauchte ein alter Mann vor der Menge auf und sagte: "Nun, dein Herz ist nicht annähernd so schön, wie meines." Die Menschenmenge und der junge Mann schauten das Herz des alten Mannes an.
Es schlug kräftig, aber es war voller Narben, es hatte Stellen, wo Stücke entfernt und durch andere ersetzt worden waren. Aber sie passten nicht richtig und es gab einige ausgefranste Ecken...Genau gesagt, waren an einigen Stellen tiefe Furchen, in denen ganze Teile fehlten. Die Leute starrten ihn an und dachten: Wie kann er behaupten, sein Herz sei schöner?

Der junge Mann schaute auf des alten Mannes Herz, sah dessen Zustand und lachte: "Du musst scherzen", sagte er, "dein Herz mit meinem zu vergleichen. Meines ist perfekt und deines ist ein Durcheinander aus Narben und Tränen."

"Ja", sagte der alte Mann, "deines sieht perfekt aus, aber ich würde niemals mit dir tauschen. Jede Narbe steht für einen Menschen, dem ich meine Liebe gegeben habe. Ich reiße ein Stück meines Herzens heraus und reiche es ihnen und oft geben sie mir ein Stück ihres Herzens, das in die leere Stelle meines Herzens passt. Aber weil die Stücke nicht genau passen, habe ich einige raue Kanten, die ich sehr schätze, denn sie erinnern mich an die Liebe, die wir teilten. Manchmal habe ich auch ein Stück meines Herzens gegeben, ohne dass mir der andere ein Stück seines Herzens zurückgegeben hat. Das sind die leeren Furchen. Liebe geben heißt manchmal auch ein Risiko einzugehen. Auch wenn diese Furchen schmerzhaft sind, bleiben sie offen und auch sie erinnern mich an die Liebe, die ich für diese Menschen empfinde. Ich hoffe, dass sie eines Tages zurückkehren und den Platz ausfüllen werden. Erkennst du jetzt, was wahre Schönheit ist?"

Der junge Mann stand still da und Tränen rannen über seine Wangen.
Er ging auf den alten Mann zu, griff nach seinem perfekten jungen und schönen Herzen und riss ein Stück heraus. Er bot es dem alten Mann mit zitternden Händen an. Der alte Mann nahm das Angebot an, setzte es in sein Herz. Er nahm dann ein Stück seines alten vernarbten Herzens und füllte damit
die Wunde in des jungen Mannes Herzen. Es passte nicht perfekt, da es einige ausgefranste Ränder hatte.

Der junge Mann sah sein Herz an, nicht mehr perfekt, aber schöner als je zuvor, denn er spürte die Liebe des alten Mannes in sein Herz fließen. Sie umarmten sich und gingen fort, Seite an Seite.

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Zuletzt geändert von Brexpiprazole am Mi 23. Jul 2014, 18:30, insgesamt 1-mal geändert.
Grund: Threadtitel


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Weiblich 
BeitragVerfasst: Di 27. Nov 2012, 14:58 
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"Das Märchen von der traurigen Traurigkeit" :nerd: gefällt mir eigentlich auch gut.
Spoiler:
Es war eine kleine Frau, die den staubigen Feldweg entlang kam. Sie war wohl schon recht alt, doch ihr Gang war leicht, und ihr Lächeln hatte den frischen Glanz eines unbekümmerten Mädchens.

Bei der zusammengekauerten Gestalt blieb sie stehen und sah hinunter. Sie konnte nicht viel erkennen. Das Wesen, das da im Staub des Weges saß, schien fast körperlos. Es erinnerte an eine graue Flanelldecke mit menschlichen Konturen. Die kleine Frau bückte sich ein wenig und fragte: "Wer bist du?" Zwei fast leblose Augen blickten müde auf. "Ich? Ich bin die Traurigkeit", flüsterte die Stimme stockend und so leise, dass sie kaum zu hören war.

"Ach, die Traurigkeit!" rief die kleine Frau erfreut aus, als würde sie eine alte Bekannte begrüßen. "Du kennst mich?" fragte die Traurigkeit misstrauisch."Natürlich kenne ich dich! Immer wieder einmal hast du mich ein Stück des Weges begleitet." "Ja, aber...", argwöhnte die Traurigkeit, "warum flüchtest du dann nicht vor mir? Hast du denn keine Angst?" "Warum sollte ich vor dir davonlaufen, meine Liebe? Du weißt doch selbst nur zu gut, dass du jeden Flüchtigen einholst. Aber, was ich dich fragen will: Warum siehst du so mutlos aus?" "Ich... ich bin traurig", antwortete die graue Gestalt mit brüchiger Stimme. Die kleine, alte Frau setzte sich zu ihr. "Traurig bist du also", sagte sie und nickte verständnisvoll mit dem Kopf. "Erzähl mir doch, was dich so bedrückt."

Die Traurigkeit seufzte tief. Sollte ihr diesmal wirklich jemand zuhören wollen? Wie oft hatte sie sich das schon gewünscht. "Ach, weißt du", begann sie zögernd und äußerst verwundert, "es ist so, dass mich einfach niemand mag. Es ist nun mal meine Bestimmung, unter den Menschen zu gehen und für eine gewisse Zeit bei ihnen zu verweilen. Aber wenn ich zu ihnen komme, schrecken sie zurück. Sie fürchten sich vor mir und meiden mich wie die Pest." Die Traurigkeit schluckte schwer. "Sie haben Sätze erfunden, mit denen sie mich bannen wollen. Sie sagen: Papperlapapp, das Leben ist heiter. Und ihr falsches Lachen führt zu Magenkrämpfen und Atemnot. Sie sagen: Gelobt sei, was hart macht. Und dann bekommen sie Herzschmerzen. Sie sagen: Man muss sich nur zusammenreißen. Und sie spüren das Reißen in den Schultern und im Rücken. Sie sagen: Nur Schwächlinge weinen. Und die aufgestauten Tränen sprengen fast ihre Köpfe. Oder aber sie betäuben sich mit Alkohol und Drogen, damit sie mich nicht fühlen müssen."

"Oh ja", bestätigte die alte Frau, "solche Menschen sind mir schon oft begegnet." Die Traurigkeit sank noch ein wenig mehr in sich zusammen. "Und dabei will ich den Menschen doch nur helfen. Wenn ich ganz nah bei ihnen bin, können sie sich selbst begegnen. Ich helfe ihnen, ein Nest zu bauen, um ihre Wunden zu pflegen. Wer traurig ist, hat eine besonders dünne Haut. Manches Leid bricht wieder auf wie eine schlecht verheilte Wunde, und das tut sehr weh. Aber nur, wer die Trauer zulässt und all die ungeweinten Tränen weint, kann seine Wunden wirklich heilen. Doch die Menschen wollen gar nicht, dass ich ihnen dabei helfe. Statt dessen schminken sie sich ein grelles Lachen über ihre Narben. Oder sie legen sich einen dicken Panzer aus Bitterkeit zu." Die Traurigkeit schwieg. Ihr Weinen war erst schwach, dann stärker und schließlich ganz verzweifelt.

Die kleine, alte Frau nahm die zusammengesunkene Gestalt tröstend in ihre Arme. Wie weich und sanft sie sich anfühlt, dachte sie und streichelte zärtlich das zitternde Bündel. "Weine nur, Traurigkeit", flüsterte sie liebevoll, "ruh dich aus, damit du wieder Kraft sammeln kannst. Du sollst von nun an nicht mehr alleine wandern. Ich werde dich begleiten, damit die Mutlosigkeit nicht noch mehr an Macht gewinnt."

Die Traurigkeit hörte auf zu weinen. Sie richtete sich auf und betrachtete erstaunt ihre neue Gefährtin: "Aber... aber - wer bist eigentlich du?" "Ich?" sagte die kleine, alte Frau schmunzelnd, und dann lächelte sie wieder so unbekümmert wie ein kleines Mädchen. "Ich bin die Hoffnung."

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Weiblich 
BeitragVerfasst: Mi 23. Jul 2014, 18:25 
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Die Geschichte finde ich ganz schön. :happy:

Spoiler: Tucholsky - Einfahrt
Erst tauchten auf dem grüngrauen Land ein paar Baracken auf, dann Häuschen, dann Häuser, da steht die erste Fabrik. Ein Holzlager. Grau ist die Natur – immer sieht die Grenze zwischen der Stadt und dem flachen Land aus wie ein Müll- und Schuttplatz. Da ist eine Vorortbahn, viele Schornsteine; die erste Elektrische. Noch rollt der Zug glatt und mit unverminderter Geschwindigkeit; Straßenzüge begleiten uns, noch mit Bäumen besetzt, dann bleiben die Bäume zurück; Reklametafeln, Wagen, Menschen, nun fährt der Zug langsamer und langsamer, nun rollt er im Schritt. Da – das sind die hohen Steinmauern der Einfahrt.
Schwarzgespült vom Rauch sind sie, ruhig und trübe; hier schlagen die Wellen der Fremde an das heimische Gestade ... Heimisch? Für wen? Wir sind Fremde. Wir kommen in die fremde Stadt.
Die ahnt nichts von denen, die hier ankommen. Heute kommen an: achtundvierzig Leute, die nur ihr Geld ausgeben wollen – (zum Hotelportier: »Sagen Sie mal, wo kann man denn hier mal –?«); zweiunddreißig Reisende in Tuch, Eisenwaren und Glasstöpseln; ein Kranker, der einen Arzt konsultieren will; achtundsechzig Menschen, die in ihre Stadt zurückkommen, die zählen nicht; und Fremde, Fremde, Fremde: herangewanderte, arme Teufel, die ein Glück versuchen wollen, das sie noch nie gehabt haben – der berühmte junge Mann, der »mit nichts hier angekommen ist, und heute ist er ... « Fremde, Fremde.
Unberührt von ihnen liegt die Stadt. Haus an Haus schleicht vorbei – wir sehen in die Kehrseiten der Häuser, wo schmutzige Wäsche hängt und rußige Kinder schreien, wo Achsen auf den Höfen ächzen und Küchen klappern – die Stadt zeigt uns Fremden ein fremdes Gesicht. Innen sieht sie ganz anders aus.
Es gibt an einer bestimmten Stelle Schreibmaschinen billiger; morgens um halb elf müssen alle Leute, die zur feinen Gesellschaft gehören wollen, in einer bekannten Allee ihr Auto einen Augenblick halten lassen; Mittag ißt man gut bei ... , ja, das wissen wir nicht; Schuhe kauft man vorteilhaft ... in welcher Straße? – im ... -Theater ist eine herrliche Premiere mit einem wundervollen Krach zwischen dem Direktor und der Geliebten des Geldgebers. Ihre eigne Sprache hat die Stadt: statt ›Geld‹ sagt man hier ... ja, das wissen wir nicht; um den Witz in der Zeitung zu verstehen, die sich der ganze Zug eine Station vorher gekauft hat, muß man wissen, dass es sich um Frau H. handelte, die mit einer Mörderin zusammen eingesperrt sowie homosexuell ist; auf dem Witzbild erkundigt sie sich nach ihrer Zellengenossin: »Ist sie blond –?« fragt sie den Schließer – das verstehn wir alles nicht. Wir wissen gar nichts. Für uns ist das eine fremde Stadt.
Und wir werden ihr einen Teil unsres Lebens geben; wir werden uns einleben, die Stadt wird sich in uns einleben, und nach zwei Jahren gehören wir einander, ein bißchen. Wir sagen nicht mehr ›gnädige Frau‹ zur Stadt – wir sagen dann einfach ›Sie‹. Wir wissen schon, wo man vorteilhaft Regenschirme kaufen kann, und das mit der schicken Allee, und wo man gut und billig zu Mittag ißt, das alles können wir den neuen Fremden, die nach uns kommen, schon ganz leichthin sagen, als seien wir damit aufgewachsen, und als sei das gar nichts. Aber: du ... du sagen wir noch nicht zur Stadt.
Das sagen nur die, die hier groß geworden sind. Die, die ihre ersten Worte in ihren Gassen, in ihren Kinderliedern und auf ihren Rasen gestammelt haben; die ein bestimmtes Viertel der Stadt auf ewig mit einer bestimmten Vorstellung verbinden, denn dort haben sie zum erstenmal geküßt, die in den vorweihnachtlichen Tagen im Omnibus in die Hände gepatscht und sich die Nase an den Scheiben platt gedrückt haben. »Guck mal, Papa! Mama! Sieh mal, da –!« und denen dort im Omnibus die Welt erklärt worden ist ... die sagen du zur Stadt.
Die kümmert sich nicht um die Fremden, die täglich heranbrausen. Sie führt ihr Leben ... wer will, darfs mitleben. Sie formt die Fremden langsam um, und wenn die Fremden Geduld haben, dann sind sie es nach zwanzig Jahren nicht mehr. Nicht mehr so ganz. Nur tief, im fremden Herzen, sind sie es noch: da frieren sie, die Fremden.
Da hält der Zug. Und alle steigen aus; sie suchen, die Wurzellosen, eine Heimat in der Heimat der Stadt, die schon eine Heimat ist: für die andern. In wieviel Städte werden wir noch einfahren –?

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Weiblich 
BeitragVerfasst: Di 12. Aug 2014, 02:50 
Pinkie Pie
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Die Geschichte find ich richtig lustig. :laugh:

Spoiler: Tucholsy - Die Kunst, falsch zu reisen
Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
den schickt er in die –

»Alice! Peter! Sonja! Legt mal die Tasche hier in das Gepäcknetz, nein, da! Gott, ob einem die Kinder wohl mal helfen! Fritz, iß jetzt nicht alle Brötchen auf! Du hast eben gegessen!«

in die weite Welt!

Wenn du reisen willst, verlange von der Gegend, in die du reist, alles: schöne Natur, den Komfort der Großstadt, kunstgeschichtliche Altertümer, billige Preise, Meer, Gebirge – also: vorn die Ostsee und hinten die Leipziger Straße. Ist das nicht vorhanden, dann schimpfe.
Wenn du reist, nimm um Gottes willen keine Rücksicht auf deine Mitreisenden – sie legen es dir als Schwäche aus. Du hast bezahlt – die andern fahren alle umsonst. Bedenke, daß es von ungeheurer Wichtigkeit ist, ob du einen Fensterplatz hast oder nicht; daß im Nichtraucher-Abteil einer raucht, muß sofort und in den schärfsten Ausdrücken gerügt werden – ist der Schaffner nicht da, dann vertritt ihn einstweilen und sei Polizei, Staat und rächende Nemesis in einem. Das verschönt die Reise. Sei überhaupt unliebenswürdig – daran erkennt man den Mann.
Im Hotel bestellst du am besten ein Zimmer und fährst dann anderswohin. Bestell das Zimmer nicht ab; das hast du nicht nötig – nur nicht weich werden.
Bist du im Hotel angekommen, so schreib deinen Namen mit allen Titeln ein... Hast du keinen Titel... Verzeihung ... ich meine: wenn einer keinen Titel hat, dann erfinde er sich einen. Schreib nicht: »Kaufmann«, schreib: »Generaldirektor«. Das hebt sehr. Geh sodann unter heftigem Türenschlagen in dein Zimmer, gib um Gottes willen dem Stubenmädchen, von dem du ein paar Kleinigkeiten extra verlangst, kein Trinkgeld, das verdirbt das Volk; reinige deine staubigen Stiefel mit dem Handtuch, wirf ein Glas entzwei (sag es aber keinem, der Hotelier hat so viele Gläser!), und begib dich sodann auf die Wanderung durch die fremde Stadt.
In der fremden Stadt mußt du zuerst einmal alles genauso haben wollen, wie es bei dir zu Hause ist – hat die Stadt das nicht, dann taugt sie nichts. Die Leute müssen also rechts fahren, dasselbe Telephon haben wie du, dieselbe Anordnung der Speisekarte und dieselben Retiraden. Im übrigen sieh dir nur die Sehenswürdigkeiten an, die im Baedeker stehen. Treibe die Deinen erbarmungslos an alles heran, was im Reisehandbuch einen Stern hat – lauf blind an allem andern vorüber, und vor allem: rüste dich richtig aus. Bei Spaziergängen durch fremde Städte trägt man am besten kurze Gebirgshosen, einen kleinen grünen Hut (mit Rasierpinsel), schwere Nagelschuhe (für Museen sehr geeignet), und einen derben Knotenstock. Anseilen nur in Städten von 500 000 Einwohnern aufwärts.
Wenn deine Frau vor Müdigkeit umfällt, ist der richtige Augenblick gekommen, auf einen Aussichtsturm oder auf das Rathaus zu steigen; wenn man schon mal in der Fremde ist, muß man alles mitnehmen, was sie einem bietet. Verschwimmen dir zum Schluß die Einzelheiten vor Augen, so kannst du voller Stolz sagen: ich hab's geschafft.
Mach dir einen Kostenvoranschlag, bevor du reist, und zwar auf den Pfennig genau, möglichst um hundert Mark zu gering – man kann das immer einsparen. Dadurch nämlich, daß man überall handelt; dergleichen macht beliebt und heitert überhaupt die Reise auf. Fahr lieber noch ein Endchen weiter, als es dein Geldbeutel gestattet, und bring den Rest dadurch ein, daß du zu Fuß gehst, wo die Wagenfahrt angenehmer ist; daß du zu wenig Trinkgelder gibst; und daß du überhaupt in jedem Fremden einen Aasgeier siehst. Vergiß dabei nie die Hauptregel jeder gesunden Reise:
Ärgere dich!
Sprich mit deiner Frau nur von den kleinen Sorgen des Alltags. Koch noch einmal allen Kummer auf, den du zu Hause im Büro gehabt hast; vergiß überhaupt nie, daß du einen Beruf hast.
Wenn du reisest, so sei das erste, was du nach jeder Ankunft in einem fremden Ort zu tun hast: Ansichtskarten zu schreiben. Die Ansichtskarten brauchst du nicht zu bestellen: der Kellner sieht schon, daß du welche haben willst. Schreib unleserlich – das läßt auf gute Laune schließen. Schreib überall Ansichtskarten: auf der Bahn, in der Tropfsteingrotte, auf den Bergesgipfeln und im schwanken Kahn. Brich dabei den Füllbleistift ab und gieß Tinte aus dem Federhalter. Dann schimpfe.
Das Grundgesetz jeder richtigen Reise ist: es muß was los sein – und du mußt etwas »vorhaben«. Sonst ist die Reise keine Reise. Jede Ausspannung von Beruf und Arbeit beruht darin, daß man sich ein genaues Programm macht, es aber nicht innehält – hast du es nicht innegehalten, gib deiner Frau die Schuld.
Verlang überall ländliche Stille; ist sie da, schimpfe, daß nichts los ist. Eine anständige Sommerfrische besteht in einer Anhäufung derselben Menschen, die du bei dir zu Hause siehst, sowie in einer Gebirgsbar, einem Oceandancing und einer Weinabteilung. Besuche dergleichen – halte dich dabei aber an deine gute, bewährte Tracht: kurze Hose, kleiner Hut (siehe oben). Sieh dich sodann im Raume um und sprich: »Na, elegant ist es hier gerade nicht!« Haben die andern einen Smoking an, so sagst du am besten: »Fatzkerei, auf die Reise einen Smoking mitzunehmen!« – hast du einen an, die andern aber nicht, mach mit deiner Frau Krach. Mach überhaupt mit deiner Frau Krach.
Durcheile die fremden Städte und Dörfer – wenn dir die Zunge nicht heraushängt, hast du falsch disponiert; außerdem ist der Zug, den du noch erreichen mußt, wichtiger als eine stille Abendstunde. Stille Abendstunden sind Mumpitz; dazu reist man nicht.
Auf der Reise muß alles etwas besser sein, als du es zu Hause hast. Schieb dem Kellner die nicht gut eingekühlte Flasche Wein mit einer Miene zurück, in der geschrieben steht: »Wenn mir mein Haushofmeister den Wein so aus dem Keller bringt, ist er entlassen!« Tu immer so, als seist du aufgewachsen bei ...
Mit den lächerlichen Einheimischen sprich auf alle Fälle gleich von Politik, Religion und dem Krieg. Halte mit deiner Meinung nicht hinterm Berg, sag alles frei heraus! Immer gib ihm! Sprich laut, damit man dich hört – viele fremde Völker sind ohnehin schwerhörig. Wenn du dich amüsierst, dann lach, aber so laut, daß sich die andern ärgern, die in ihrer Dummheit nicht wissen, worüber du lachst. Sprichst du fremde Sprachen nicht sehr gut, dann schrei: man versteht dich dann besser.
Laß dir nicht imponieren.
Seid ihr mehrere Männer, so ist es gut, wenn ihr an hohen Aussichtspunkten etwas im Vierfarbendruck singt. Die Natur hat das gerne.
Handele. Schimpfe. Ärgere dich. Und mach Betrieb.

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BeitragVerfasst: Mi 21. Jan 2015, 21:04 
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Ich mag die kurzen Horrorgeschichten von Slimebeast sehr gerne.

http://slimebeast.com/stories/index.php

Die Most Popular oben sind auch meine Favoriten. Er schreibt meist im Creepypasta-Stil; habe seine Stories immer gerne zum Einschlafen gelesen, bis ich dann alle durch hatte.

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BeitragVerfasst: Mo 2. Jan 2017, 19:01 
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Enigma of Amigara Fault ist n ziemlich cooler, 30-seitiger Horrormanga. Erinnert an Kings Kurzgeschichten; grotesker Spannungsaufbau, am Ende ne noch groteskere Offenbarung.
http://brasscockroach.com/h4ll0w33n2007 ... igara.html
Musste da einige Tage lang ziemlich oft drüber nachdenken; außerdem gibts einige clevere Memes dazu.

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BeitragVerfasst: Mo 2. Jan 2017, 19:37 
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Der Zeichenstil kommt mir voll bekannt vor. Von wem ist das?

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BeitragVerfasst: Fr 13. Jan 2017, 22:01 
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Zum BeitragKiiirsCh hat geschrieben:
Der Zeichenstil kommt mir voll bekannt vor. Von wem ist das?
Junji Ito. Man kennt von ihm v.a. Uzumaki; ebenfalls verstörend as fuck. Uzumaki wurde sogar verfilmt; hab den Film auf DVD. Ist nicht halb so gut wie der Manga. Itos groteske Zeichnungen hämmern sich einem deutlich mehr ins Hirn als reale Kulissen.

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BeitragVerfasst: Do 28. Sep 2017, 23:35 
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Zum BeitragLeprechaun hat geschrieben:
Junji Ito.
The Long Dream vom selben Autor: https://imgur.com/t/friday_the_13th/aes1E
Weniger verstörende Bilder, mehr verstörende Konzepte. Die Story entspricht grob nem Element, das ich selbst vor Jahren für ne Story erfunden habe. In solchen Momenten denk ich mir immer, dass ich es dann lieber weglassen sollte, weil Ito die Idee logischerweise ungleich besser umsetzt.

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BeitragVerfasst: Do 22. Feb 2018, 20:03 
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very important... MUST READ.
so a chinese, japanese and korean and indian man, are travelling as a group. they are university student and are just having some fun time for summer semester break. chinese name is Mi, japanese name is Yu, korean name is Ngyuen and indian name is Rupchandra Bose. of course, the chinese and the japanese names can become a subject of funny jokes because they will say "did you pack the bags" and they will think "did Yu pack the bags" because [racist statement about the oientaIs].
instead, they call the japanese man Tokyo and chinese man Beijing, and if they happen to find a situation where it might cause the confusion, they have simple name like John and Rupchandra Bose Second. Now as always, our protagonist is Rupchandra Bose, the powerful indian man, For this stories' sake i will nickname him dulweep. but in this story i will call him full name: Rupchandra Bose.
so basically the gang of four people are thinking of going for a vacation in there summer semester break. so beijing said "hey why dont we go to london," and tokyo said "i think we should go for london" and ngyuen said "yes, i agree, lets all go to london." but Rupchandra Bose was a smart man. he understood that the reason these [very, very raciaI sIur of orinetaI person] are choosing england, london is to make a very funny joke and for this important message to end in a punchline. sadly for them, Rupchandra Bose is smart and looked through there devilish schemes. "false, we are not going to london." said Rupchandra Bose with the smile of a devil in his smile. "we are going to California to meet my good friend Graham, Rober and Miguel. and also maybe go upstate over to Texas to meet up with my father. you can all [go away]" the [oriantaIs] agreed as they are inf**rior to indian and booked a plane ticket for california.
during the plane ride, they forgot to bring in the big boy, LOBODO from african country of senegale. LOBODO is powerful warrior and can kiII anybody in a 5 lightyear radius. so Rupchandra Bose single handledly stopped the flight and beckoned LOBODO to board the flight. however, it is seen that LOBODO has already mastered the art of flight and was flying alongside the plane Rupchandra Bose was on . so the five friends, Rupchandra Bose (nickname: Dulweep, lion, indian master), Mi (nickname: beijing, john, kyle, the sauce boy), Yu (nickname: tokyo, Rupchandra Bose Second, weenerbeener, gregory), Ngyuen (nickname: potoooooooo, rudraroop ray) and a newest member, LOBODO (nickname: hogo) suddently before the plane even left the ground a white genius, by the name of albert einstein came on board. Rupchandra Bose smile,, and wiped a tear from the corner of his eye... and said welcome aboard. .. mr einstien sir. And all of the passengers came up and saluted the man. moral of the story: indians rule.

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BeitragVerfasst: Mi 16. Jan 2019, 18:02 
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17776 Football
https://www.sbnation.com/a/17776-football

Die Story ist sehr interaktiv; selbst wenn ihr nicht vorhabt sie (ganz) zu lesen, schaut euch die schicken technischen Gimmicks auf der Seite mal an.

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BeitragVerfasst: Mo 26. Jul 2021, 14:28 
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The Egg von Andy Weir (The Martian)
http://www.galactanet.com/oneoff/theegg_mod.html

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BeitragDieser Beitrag wurde gelöscht durch Brexpiprazole am Mi 11. Aug 2021, 09:05.
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BeitragVerfasst: Fr 10. Jun 2022, 01:37 
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Zum BeitragParadice hat geschrieben:
Das Ei - Eine Kurzgeschichte
Gib dir 500 Million Year Button: https://www.youtube.com/watch?v=3h-cAbOyRXc

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BeitragVerfasst: Fr 10. Jun 2022, 14:57 
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Zum BeitragBrexpiprazole hat geschrieben:
Gib dir 500 Million Year Button: https://www.youtube.com/watch?v=3h-cAbOyRXc
okay das Ende ist mega lustig.

Wir Menschen sind ja so konzipiert, dass wir die ca. 80 Jahre unseres Lebens als viel betrachten. Unser Gehirn will ständig beschäftigt werden und wir werden Wahnsinnig, wenn man uns einsperrt und eine gewisse Stimulation über einen längeren Zeitraum fehlt. Daher ist die Vorstellung so schrecklich, 500 Mio Jahre im Nichts zu überdauern. Wir sind im Prinzip dauerhaft im Survival-Modus, wodurch wir uns ständig weiterentwickeln müssen und sich die Jahre daher relativ stark ziehen.
Ohne diese Bedingungen könnten wir die 500 Mio Jahre vermutlich ohne große Mühen bewältigen.


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