Die wichtigste Frage wurde nicht gelöst: WAS IST MIT SEINEM AUGE

Ich bin der Ansicht, dass das dramaturgisch beste Ende für Dark gewesen wäre, wenn die Charaktere tatsächlich für immer in einer deterministischen Zeitschleife gefangen gewesen wären. Der Plot entwickelte sich ja zeitweise sehr in eine Richtung, in der es einfach darum ging, dass Menschen mit unfreiem Willen sich zu einer Sekte organisierten und mit aller Kraft darum kämpften, freien Willen von "Gott" und der Zeit zu stehlen. Dark war da auch immer zu 100% konsistent, was halt in der Komplexizität wie gesagt einzigartig ist. Dark wäre die einzige wirklich perfekte sowie hochkomplexe deterministische Time-Loop-Story gewesen, die es jemals gab. In der Hinsicht hätte man nach der vorletzten Folge aufhören können; wir haben einen kompletten Loop gesehen und sind raus. Das ist absichtlich so.

Das tatsächliche Ende ist meinem reinen menschlichen Gefühl nach nicht so gut, aber quasi wieder schiere Angeberei darüber, wie übermenschlich gut Baran bo Odar und Jantje Friese eine Story ausplanen und balancieren können.
Ich wäre in 100 Jahren nicht auf die verwendete Idee gekommen; auch nicht, wenn man mir explizit den Auftrag gegeben hätte, den Time Loop aufzulösen ohne zeitgleich die innere Konsistenz der Serie zu zerstören. Es gab auch nur exakt diese Möglichkeit dafür, meines Wissens nach ist sie auch komplett neu - Dark, als Sci-Fi-Serie, benutzt offensichtlich viele Tropes, die man bereits aus Star Trek und von anderswo kennt, aber dieses hier nicht.
Die Welt von Dark war einfach nie deterministisch; es handelte sich um eine indeterministische Welt, in der ein Wissenschaftler zwei Sub-Universen erschuf, die zu 99,99% deterministisch waren. So einfach. Überdeutliche Andeutungen dazu fanden sich bereits in Staffel 2, als Claudia beobachtete, dass das Partikel beim Higgs-Test immer in zwei Protonen zerfiel - bis auf einen Fall, wo es in vier Myonen zerfiel. Außerdem führte Staffel 3 dann halt auch selbst ein, dass man zu einem hochspezifischen Zeitpunkt freien Willen walten lassen konnte um dadurch einen neuen Pfad zu öffnen der zeitgleich zum alten lief ohne dabei die Welten zu spalten - in einem Loop von potentiell Milliarden erkannte eine Claudia, die (zusammen mit Tannhaus) einzige außerordentlich gebildete Wissenschaftlerin dann die Wahrheit, und richtete ihr gesamtes Leben danach aus, als "Weißer Teufel" Adam den Apfel der Erkenntnis, und somit Indeterminismus bzw. freien Willen anzubieten. Wir beobachten v.a. deshalb einen ganzen Loop, damit dieser Adam derselbe Jonas sein kann, mit dem wir die Serie begonnen haben. Sein Leben endete anders als das all seiner Vorgänger.

Tannhaus weiß schlussendlich nicht, dass er in einer nicht stattgefundenen Zukunft eine erfolgreiche Maschine gebaut hat. Er hat zwar keine Zeitmaschine erschaffen, aber dafür zwei Universen, und das reichte aus. Der älteste Punkt in diesen, den wir gesehen haben, war Anfang der 1800er die Kindheitszene des ursprünglichen Sic-Mundus-Gründers Heinrich Tannhaus. Realistisch, dass die Universen vor diesem Punkt leer sind.
Sic Mundus Creatus Est, auf der Zeitmaschine = Diese Welt wurde erschaffen, beim Versuch, durch die Zeit zu reisen.

Dark ist zusammen mit Twin Peaks der komplexeste Shit, den ich je gesehen habe - Ich hab bei Unterhaltungen Dinge gesagt wie "Die B-Version der älteren jungen Parallel-Martha", was einfach nur geil ist.
Dark ist aber die absolute Antithese zu Twin Peaks - Dark ist niemals verwirrend; man bekommt jede einzelne Info an die Hand, teilweise vielfach. In einem Beispiel deutscher Effizienz ist das einzige großartig künstlerische Element in Dark, die musikalisch untermalte Zeitlupen-Szene als vorletzte Szene fast aller Folgen, explizit dafür da, nochmal an die gerade wichtigen Akteure zu erinnern und an das, was sie gerade tun. Im Vergleich zu S2 ist S1 extrem simpel, und im Vergleich zu S3 ist S2 extrem simpel - alle Elemente sind bereits von Beginn an da, aber Dark führt sie nur extrem gemächlich ein, damit man genug Zeit hat, alles im Kopf zu sortieren. Wenn man etwas nicht versteht, weiß man genau, dass es bald erklärt wird. Dark lügt einen niemals an, wenngleich die Charaktere einen natürlich manchmal anlügen.
Twin Peaks ist natürlich ein künstlerisch deutlich anspruchsvolleres Werk und kann gar nicht vollständig verstanden werden, nur interpretiert und gefühlt. Twin Peaks lügt einen bewusst dauerhaft an, und erklärt Dinge entweder niemals oder so extrem verschlüsselt, dass man sich einbilden kann, eine vage Ahnung zu haben. Das ist keine negative Kritik; Twin Peaks ist eines der besten Werke, das es gibt - ebenso wie jetzt Dark, aber aus den unterschiedlichsten Gründen.

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Ach so, ich fand neulich die Vorstellung eines potentiellen Running Gags lustig, in dem Adam dauerhaft Jonas sexuell nötigt und versucht plump auszutricksen so wie Gargamel ständig die Schlümpfe austricksen will, während er redet wie Rick aus Rick und Morty. Hab dazu nen 4chan-Post erstellt weil es als Greentext am besten aussieht; vermutlich wirke ich deshalb wie ein Geisteskranker, aber was solls. Der Shop ist auch von mir (Mit Hilfe von FaceApp). Lest es in seiner Stimme pls.

bei einer Show, die so sehr von Inzest durchdrungen ist, ist es wirklich sehr merkwürdig, dass niemand sich selbst gefickt hat

Bei nem Rewatch wird echt nochmal klar, wie viel davon abhängt, dass Jonas geradezu absurd dämlich ist und absolut keine eigene Agenda hat, niemals. Bis ins hohe Alter ist er nur eine Schachfigur und schnallt auch nach der x-ten Erklärung nicht, wie die simpelsten Aspekte des Knotens funktionieren. Er stolpert quasi blind durch sein Leben, macht sofort und unhinterfragt alles so wie andere Leute es ihm sagen (Ergo genau so wie immer), und denkt dabei dass er eine Art Puppenspieler ist und irgendwas ändern wird. Er ist immer wieder verblüfft, wenn dann irgendwas nicht so funktioniert, wie er es wollte.
Das Ausmaß hiervon ist echt wild. Wenn das absichtlich so geschrieben ist, ist es für ne Hauptfigur halt brillant. Als Gegenstück dazu dann quasi nicht Martha, sondern tatsächlich Claudia, die unter allen Charakteren die stärkste Agenda verfolgt und die meiste Ahnung hat.