Seoman hat geschrieben:
Deine Interpretation dieses Abschnitts ist aber nicht wirklich, dass Hermine diejenige ist, die als vollkommen lächerlich dargestellt wird?
Hermione ist während des SPEW-Arcs in Goblet und an diversen anderen Stellen in den Büchern sehr klar der klassische literarische Stereotyp der Soapbox Sadie:
https://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/ ... apboxSadieDas kommt ursprünglich von zeitgenössischen Parodien zu Suffragetten.
Die Lektion, die sie am Ende lernen muss, ist, dass manche Dinge gut sind wie sie sind und man nicht an allem was ändern kann/sollte. Die Story präsentiert durchaus dass sie einen Punkt hat, aber stellt auch sehr klar dar, dass sie übertreibt und jeden in ihrer Umgebung damit nervt, weil wichtigere Dinge passieren.
Der Punkt der die Story ihr schlussendlich zugesteht, ist dass Hauselfen in der Gesellschaft oft schlecht behandelt werden. Das ist halt wichtig. Chattel Slavery selbst ist nicht das Problem, sondern halt Individuen die sich innerhalb dieses Systems daneben benehmen. Die Malfoys behandeln ihren Sklaven schlecht, Sirius Black behandelt seinen Sklaven schlecht. Harry bekommt diesen Sklaven dann vererbt und lernt ihn besser zu behandeln als der Vorbesitzer, womit dann schlussendlich alles gut ist. Das ist für Harry ja wirklich auch klar als Character Arc präsentiert; er idolisiert Sirius in Goblet und Order wie einen Gott und muss dann irgendwann akzeptieren dass er auch Schwächen hatte, unter anderem diese.
Die Story präsentiert es als gegeben, dass eine gesamte Rasse quasi für Sklaverei erschaffen wurde, die wissen sonst nicht wohin mit sich. Darf man daher auch nicht kritisieren. Dobby als singuläre Ausnahme; ich glaube tbh, dass sie das Konzept erst nach Chamber ausgearbeitet hat. Das ist historisch recht spicy, weil das weiße Amerikaner offensichtlich auch alles über ihre schwarzen Sklaven gesagt haben.
Die Behauptung, dass du Rowlings Politik aus ihrer Story rausmerkst, ist kein Reach oder so. Wenn ein Autor worldbuilding betreibt, wirst du anhand dieser Welt ein paar Dinge über ihn verstehen können. Das ist auch mit Tolkien so, mit jedem anderen. Bei Tolkien merkt man auch teilweise eine gewisse Dissonanz zu seinen Selbstaussagen. Lord of the Rings enthält unglaubliche viele Offenbarungen darüber, wie er den Ersten Weltkrieg erlebt hat, dazu muss man kein Genie sein. Er selbst hat das immer abgestritten. Darf er auch - er ist Tolkien.
Bei Rowling ist der wichtigste Punkt den man verstehen muss, dass ihre Art von Konservativismus etwas ist, was man auch als "Bis hierher und nicht weiter"-Liberalismus bezeichnen könnte. Also halt wie die Politik die Labour, ihre Partei, größtenteils macht, wenn man jetzt mal den linken Corbyn-Flügel ausnimmt.
Alle sozialen Bewegungen die vor meiner Geburt passiert sind, waren gut und wichtig und ich wäre selbstvertständlich ein flammender Unterstützer gewesen und auf die Straße gegangen. Alles was jetzt passiert geht aber eindeutig einen Schritt zu weit, die Leute benehmen sich daneben, das ist was ganz anderes.
Rowling wäre gegen die Suffragetten gewesen, sie wäre gegen Civil Rights gewesen, sie hätte die Revolutionäre von Stonewall ununterbrochen denunziert.
Leute der Art romantisieren diese vergangenen Bewegungen ja auch massiv. Wenn aus einer Trans-Rights-Demo ein Ei auf einen Fascho fliegt, kreischen die tagelang wie am Spieß und sehen das als Beweis, dass hier die Grenze überschritten ist, weil Suffragetten, Schwarze, Homosexuelle... nie brutal geworden sind bei ihren Protesten.
Was historisch offensichtlich
völlig absurd ist.
Frauen haben das Wahlrecht weil Suffragetten damals literally Bomben gelegt und Brandstiftung betrieben haben.
Ein wichtiger Moment in der Gay-Rights-Bewegung war, wie Anita Bryant, quasi die damalige Rowling, einen Kuchen ins Gesicht geballert bekommen hat. Über Civil Rights muss man gar nicht erst reden; Malcolm X war offen ein Proponent von Gewalt gegen seine Gegner. Man kann das alles finden wie man will, aber es ist so. Nichts davon hat friedlich funktioniert. Ohne gewaltsame Aufstände hätten die USA bis heute Jim-Crow-Gesetze. Das wird aber alles weggeleugnet. Die eigene Seite wird hingegen als absolut friedliebend präsentiert, egal wie viele Nazis auf einer Anti-Trans-Demo einen Hitlergruß schmeißen, wie viele trans Leute in Schulen zusammengeschlagen werden, und so weiter.
Ich schweife ein bisschen ab, aber all das merkst du auch aus Harry Potter raus wenn du drauf achtest. Wichtig ist auch, dass solche Leute konsistent nicht verstehen,
wieso die alten Bewegungen gut waren. Das ist eine direkte Konsequenz daraus, dass zur Definition von "gut" einfach gehört, dass etwas schon vor der eigenen Zeit da war. Rassismus ist deshalb schlecht, weil man das halt einfach so lernt. Da fehlt die Ethik und Moral dahinter, das intrinsische Verständnis dafür, dass dadurch Leid verursacht worden ist. Die Leute wissen dann dass man das N-Word nicht sagen darf und tun es auch tatsächlich nicht, aber sie verstehen nicht wirklich, ehrlich wieso.
Das merkt man auch gut daran, wie liberal die ständig mit wirklich sämtlichen vorhandenen Schimpfwörtern gegen trans Menschen um sich schmeißen.
Das erklärt dann auch, wieso Sklaverei in Harry Potter so ist wie sie ist. Klar gibt es viele Probleme, aber die liegen immer nur an einzelnen korrupten Individuen (Rowling präsentiert davon ja auch sehr viele in vielen Farben, das ist ein absoluter Eckpfeiler der Bücher), niemals aber am System. Als Leser verstehst du dass das System in der magischen Welt korrupt ist, Rowling selbst versteht es witzigerweise nicht. Sie präsentiert als Good End deshalb auch, dass Hermione später Ministerin wird. Und Harry wie gesagt ein Cop für das System, dass ihn zuvor so intensiv abused hat. Rowling versteht das aber nicht; für sie waren es Umbridge und so weiter.
Gute Sklavenhalter sind gut, schlechte Sklavenhalter sind schlecht - Sklaverei ist an sich völlig neutral.
Ein Highlight war ja, wie Rowling vor einigen Monaten meinte, dass Voldemort und seine Jünger problemlos auch als Parabel für Transgender-Aktivisten gelesen werden können. Falls du dachtest, dass es sich offensichtlich um Nazis handeln sollte, weil du ein normaler Mensch bist - Rowling hat ein anderes Verständnis zu ihrem Subtext als du.
Das darf man wirklich nicht unterschätzen. Ich würd hier auch nicht behaupten dass sie sich das nachträglich aus dem Arsch zieht weil das Transgender-Zeug zu neu ist. Sie beschreibt ihre negativen weiblichen Charaktere schon immer recht konsistent als groß, breit, tiefe Stimme, männliche Hände und so weiter. Eine ihrer ältesten Freundinnen ist wohl auch eine dieser eher rechten trans Frauen die sich selbst und andere trans Frauen verabscheuen ("one of the good ones"), also hat sie auch schon lange Kontakt damit.
Gut, Ende der 90er war Aktivismus in der Richtung zwar noch kein Thema, aber ich glaub ihr zumindest wirklich sofort, dass sie bei Voldemort und Co. schon immer eher an nervige, penetrant-übergriffige linke Hippies gedacht hat als an Hitler. Bzw. ist auch sehr wahrscheinlich, dass das beides in ihrem Kopf einfach exakt das gleiche ist. Weird halt, weil ihr entgeht, dass Hitler dieselben Ansichten zu trans Menschen hatte wie sie. Mich würde sowas zum Nachdenken bringen.
So viel zieht sie sich auch gar nicht aus dem Arsch. Leute haben ihr unterstellt dass sie das mit Gay Dumbledore gemacht hat, aber der Subtext ist ja eindeutig vorhanden.
Ich wiederhole hier in eigenen Worten mehrere Punkte aus Shauns erstem Rowling-Video. Ich weiß dass das recht viel verlangt ist weil das Teil ein Brocken ist, aber wenn du weiter diskutieren willst, wäre es angenehm wenn du das vorher hören könntest, vielleicht beschleunigt:
https://www.youtube.com/watch?v=-1iaJWSwUZsDu scheinst dich ja für das Thema zu interessieren, also interessiert dich das vielleicht sogar einfach auch tatsächlich.
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