Maŝino de Koloro
Seit der Gründung des fürstlichen Verbundes für Maschinenbau und Technik im Jahr 1887 stellt einmal im Monat ein anderes Mitglied seine neueste Erfindung oder eine Weiterentwicklung vor. Zumeist handelt es sich um kleine Konstruktionen, die das alltägliche Leben erleichtern oder unterhaltsamer machen sollen, denn wie so viele Herren aus den reicheren Familien der Stadt, sind auch die Mitglieder des fürstlichen Verbundes für Maschinenbau und Technik gelangweilte Männer, die sich an jeder kindischen Spielerei, die ihnen vorgeführt wird, erfreuen können.
Im Laufe der Zeit veränderte sich die Komplexität der Erfindungen. Nicht mehr waren es winzige mechanische Figuren, die dabei behilflich sein konnten, den Schnurrbart der Herren in die rechte Form zu zwirbeln, oder selbstauslösende Mechanismen, die durch Zahnräder einen Seilzug in Bewegung setzten, der zur rechten Zeit einen Teebeutel aus der Tasse zog. Vielmehr steckten nun funkensprühende, bahnbrechende Ideen, Geistesblitze, Visionen hinter den Apparaten.
Trotzdem unterschied sich die Erfindung eines Herren, sein Name ist mir leider entfallen, aber ich bin mir sicher, mein Vater wüsste sich noch recht an ihn zu erinnern, grundlegend von den Apparaturen der anderen dreiundzwanzig Mitglieder. Von der Vorführung, die den gesamten Verbund vor mehr als fünfzig Jahren in maßloses Erstaunen stürzte, möchte ich Ihnen nun genauer berichten.
Der Tag, an dem der besagte Herr dem Verbund seine Innovation präsentierte, war der 17.Dezember des Jahres 1892. Die genauen Umstände, die jenes Treffen hervorriefen, wollen sich mir einfach nicht rekonstruieren lassen, fünf Jahrzehnte sind einfach eine zu lange Zeit, ich bin nur dessen sicher, dass es sich nicht um ein reguläres Treffen handelte. An diesem Tag leitete mein Vater als Vorsitzender des Treffens die Vorführung. Der besagte Herr wollte niemanden gleich in das Prinzip seiner Apparatur einweihen, selbst nachdem ich ihm beim Stemmen einer schwerer Holzkisten, in der sich offensichtlich seine neuste Erfindung befand, behilflich war, legte er nur den Zeigefinger an die Lippen und lächelte verschwörerisch. Er teilte uns lediglich mit, dass man etwas spektakuläres, noch nie Dagewesenes erwarten könne.
Eine halbe Stunde nachdem sich alle vierundzwanzig Mitglieder des Verbundes, einschließlich des besagten Herren, im Präsentationssaal versammelt hatten, gab mir ebendieser ein Zeichen, damit ich den Vorhang der Bühne zur Seite zog. Das zuvor fortwährend zu hörende Stimmengewirr machte einem erwartungsvollen Schweigen Platz. Der besagte Herr erklomm die drei Stufen zur Bühne trotz seines fortgeschrittenen Alters in beachtlicher Geschwindigkeit und begann sogleich am Rednerpult zu seinen gespannten Zuhörern zu sprechen: „Meine sehr verehrten Herren Mitglieder des fürstlichen Verbundes für Maschinenbau und Technik, ich möchte lang ausschweifende Einführungsreden vermeiden, denn wir alle wissen, weshalb wir uns heute in diesem Saal befinden; und daher will ich sofort mit der Vorführung meiner kürzlich entworfenen Apparatur beginnen. Soviel sei dazu gesagt; Sie werden staunen und ihren Augen kaum trauen!“
Mit diesen Worten zog er an einem Hebel am Pult, woraufhin sich eine Klappe im Boden der Bühne öffnete und unter zischend aufsteigenden Rauchsäulen eine eigenartige Maschine sich erhob. Die Maschine hatte auffallende Ähnlichkeit mit einer Camera Obscura, und mein Eindruck wurde durch den samtigen Vorhang, der die Frontseite verhüllte, verstärkt. Dass es sich tatsächlich um eine ganz andere Sache handelte, bemerkte ich erst, als der besagte Herr den samtigen Vorhang lüftete und man ein weißes Blatt Papier im Inneren des Apparates hängen sah.
Plötzlich, vom einen Moment, den wir alle damit verbrachten, die Apparatur mit allen uns bekannten Maschinen in Gedanken zu vergleichen, zum anderen, in dem wir unsere Augen aus kurzzeitiger Blindheit weit aufrissen, wurde es schlagartig dunkel. Die Herren des Verbundes begannen zu tuscheln; was war passiert? Gehörte diese Dunkelheit zur Vorführung oder war dem Vorführer ein peinlicher Fehler unterlaufen?
Eine merkwürdige Zwischenstille legte sich zusammen mit einem noch schwärzeren Schatten als der schon herrschenden Dunkelheit über den Saal. Ein gigantisches Nichts von vergleichslosen Ausmaßen schien diesen Schatten zu werfen, denn kein Gegenstand, keine Person und auch kein Tier in einer passenden Größe befand sich im Saal.
Nach einer scheinbar unendlichen Zeitspanne flackerte ein sanfter Lichtstrahl auf, der sich zuerst suchend im Raum umher bewegte, zwischenzeitlich die Köpfe einiger Mitglieder beleuchtete, und schließlich auf der Apparatur auf der Bühne verharrte. Das Licht traf nur das weiße Blatt im Inneren, der Rest des Saales blieb gespenstisch düster.
Auf einmal sahen wir winzige Verfärbungen auf dem Papier, die mit der Zeit Gestalt annahmen. Zunächst konnte ich nichts erkennen, kniff daher die Augen zusammen, als sich der Saal mit einem leisen Ächzen der Deckenbalken zu drehen begann.
Es ist mir bis heute unerklärlich, wie dies vonstattenging, jedoch bezweifle ich stark, dass es sich um eine raffinierte Sinnestäuschung handelte. Die Bewegungen wirkten so real, dieses Gefühl als ob man auf einem Karussell aus Kindertagen Runde um Runde dahinfahren würde, war so echt, dass ich ein wenig die Konzentration verlor und nicht gleich bemerkte, dass sich der Saal aufgehört hatte zu drehen, ja, aufgehört hatte zu existieren! Nun saßen wir allesamt auf dem Hosenboden auf einer grünen Wiese am Fuße eines Hügels. Niemand wusste, wo wir uns befanden, und als einige der Mitglieder nach dem besagten Herren riefen, mussten wir feststellen, dass dieser samt seiner Apparatur verschwunden war.
Einige von uns rannten den Hügel hinauf um sich einen Blick über unsere Lage zu verschaffen. Als sie nicht zurückkehrten, schickten wir weitere Männer nach oben, aber auch sie kamen nicht wieder. Schließlich liefen auch wir übrigen, mein Vater, drei weitere Herren und ich, zum höchsten Punkt des Hügels. Welche groteske Szene wir dort vorfanden, verschlug uns die Sprache. Wir konnten unseren eigenen Augen kaum trauen.
Die achtzehn Mitglieder des Verbundes, die uns vorausgeeilt waren, standen dort in einer Reihe nebeneinander, den Blick an den leeren Himmel geheftet. Aber nein, halt, er war nicht leer. Schimmernd erhob sich die Apparatur des besagten Herren in zehnfacher Größe am Himmel. Ich war mir nicht sicher, ob es sich um ein Trugbild, eine Halluzination meines arg mitgenommenen Verstandes, handelte. Da aber auch die anderen Männer ihren Blick nicht vom Himmel wenden konnten, nahm ich an, auch sie sähen den Apparat.
Bei genauerer Betrachtung sah ich, dass sich das Blatt im Inneren der Apparatur weiterhin mit Linien in verschiedenen Farben füllte. Tausende Fragen schossen mir durch den Kopf. Woher kamen die Farben? Wie konnten sie auf dem Blatt fixiert werden? Und welchen Zweck hatte dieser Vorgang? Es schien mir, als ob ich der Einzige wäre, der noch halbwegs alle seine Sinne beieinander hatte, denn als ich die anderen Herren ansah, glotzten sie noch immer wie Fische im Teich gen Himmel. Als ich mich umsah, bemerkte ich, dass die Landschaft um mich herum allmählich blasser wurde. Die Felder wurden von Gold zu Gelb, von Gelb zu Flachs, von Flachs zu Weiß, bis sie schließlich nur noch undurchsichtige Flecken waren. Es schien, als ob sich der Himmel in den Flecken spiegelte. Auch das Grün der Bäume, das Hellbraun der sandigen Feldwege, das gesprenkelte Grau der Felsen, alles, alles, alles Farbige wurde von der Apparatur am Himmel angesogen. In der Nähe des Papiers verdichteten sich die Farbspuren und vermischten sich zu einem Knäuel in einem schlammig undefinierbaren Farbton, den ich noch nie zuvor gesehen hatte. Meine gesamte Umgebung verlor von Sekunde zu Sekunde ihre Farbe, auch die Umrisse der Dinge verblassten zunehmend und zurück blieben Ebenen, die sich gegenseitig wiederspiegelten.
Als ich mich erneut umblickte, spürte ich einen sanften Windhauch an meinen Ohren vorbeiziehen. Der Wind kam von allen Seiten. Mir war nicht klar, ob ich mich selbst oder ob sich meine Umgebung drehte, jedenfalls ergriffen mich dieselben Erinnerungen an das Karussell aus meiner Kindheit wie zuvor, und mit einem Mal saß ich wieder auf meinem Sessel im Vorführungssaal des Verbundes. Verwirrt schüttelte ich den Kopf, ebenso taten es die anderen Männer um mich herum. Ein Räuspern ließ uns zur Bühne blicken, wo der besagte Herr lächelnd neben seiner Apparatur stand, einen Bogen Papier, undefinierbar schlammig verfärbt, in der Hand schwenkend.
______________________ Du fragst nicht, was danach kommt, nach der Leichtigkeit im Schweben.
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