Seesternknospe hat geschrieben:
War früher wirklich alles besser?
Was vermisst ihr, woran erinnert ihr euch gerne?
Sehr gerne erinnere ich mich noch an das System IC 79. Der große Star im Intercity-Netz der Bundesbahn war natürlich die 103. Kurzzeitige Spitzenleistungen von 10 MW - das schafft heute noch nicht einmal mehr der Taurus. Da fährt man dann heute lieber gleich in Doppeltraktion, als noch einmal eine 6-achsige statt einer 4-achsigen E-Lok zu bauen.
Auf Youtube habe ich ein tolles Video aus dem Jahr 1984 gefunden.
https://www.youtube.com/watch?v=VpNBOxT4qWgBis 6:29 Korrespondenz der IC-Linie 1 (Hamburg - Bremen - Dortmund - Essen - Köln - Mannheim - Stuttgart - München) mit der IC-Linie 2 (Hannover - Bielefeld - Dortmund - Wuppertal - Köln - Wiesbaden - Frankfurt - Würzburg - München) in Dortmund Hbf. Beide Züge natürlich mit der E-Lok 103.
6:29 - 7:18 Zwei IC Durchfahrten im Jahr 1990 im System IC 85.
7:18 - 9:13 IC im Rheintal auf der Fahrt von Mainz nach Koblenz (Linke Rheinstrecke).
Mein Lieblingswagen, in dem ich sehr, sehr gerne gefahren bin, war der Avmz 207. Wenn wir von München aus unsere Verwandten in Nordrhein-Westfalen besucht haben, dann habe ich nach den Wagenumlaufplänen geschaut, damit wir einen IC mit Avmz 207 Fahrzeugen erwischen. Da die Bundesbahn nur 100 Stück Avmz 207 hatte, gab es manchmal mit meinen Eltern eine längere Diskussion, weil wir, um einen Avmz 207 zu erwischen, zu anderen Zeiten fahren mussten, als eigentlich geplant war. Auch liebte ich es, wenn der IC 14 oder 15 Wagen hatte. Zwischen Geislingen und Amstetten wurde bei 14 oder 15 Wagen dann trotz 103 immer nachgeschoben. Bis 13 IC-Wagen durfte die 103 bergauf von Geislingen nach Amstetten auf die Geislinger ziehen, ohne das nachgeschoben wurde.
Heute ist etliches anders. Vieles ist besser, manches ist schlechter.
Als Kind war ich begeistert, wenn in Friedrichshafen die Eisenbahnzüge auf die Schiffe verladen wurden und dann über den Bodensee nach Romanshorn gefahren wurden. Die Verladegleise in Friedrichshafen sind alle abgebaut worden.
Kurswagen? Das war einmal.
Ohne Umsteigen von Dortmund Hbf nach Tegernsee? Vergiss es, das war einmal - alles wegrationalisiert, Kreuzungsgleise wurden abgebaut. Die heutige Infrastruktur ist bei einem Halbstundentakt bis zum Anschlag ausgereizt. Keine Chance für Nichttakttrassen.
Gibt´s heute alles nicht mehr.
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Auch bei den Seilbahnen hat sich gegenüber damals extrem viel getan.
Als Kind war ich begeistert, die damals topmoderne Taubensteinbahn zu sehen, die sensationell schnell mit 3 m/s fahren durfte. Heute fahren die Einseilumlaufbahnen standardmäßig 6 - 7 m/s.
3S-Bahnen gab´s damals noch nicht.
Heute sind die Seilbahnen bei weitem leistungsfähiger, aber längst nicht mehr so vielseitig wie vor 60 Jahren. Etliche Komponenten wurde auf maximale Effizienz hin optimiert. Nach dem großen Fressen gibt es de facto nur noch zwei große Hersteller.
Seilbahnnostaliger bibbern und hoffen, dass die alte Kampenwandbahn noch möglichst lange erhalten bleibt. Sie ist ein einzigartiges Unikat. Angefangen von der Drehung der Kabinen um 90 Grad mit Schwankarmen in den Stationen über das von Hasenclever abgeänderte System Wallmannsberger entstand 1957 ein einzigartiges Unikat.
Heute wirkt das System mit abgelegtem und aufgenommen Zugseil wie völlig aus der Zeit gefallen - ja geradezu abstrus. Das wäre ungefähr so, wie wenn eine Straßenbahn von einer Dampflok gezogen würde.
Aber Spaß macht es trotzdem, die Zeit auf das Jahr 1957 zurückzudrehen. Aber vsl. 2022 wird sie durch einen Neubau nach dem heutigen Stand der Technik ersetzt.
Im Vergleich zu früher sind die Seilbahnen bei weitem leistungsfähiger, aber durch das inzwischen eingetretene Fastduopol ist durch den Sozialdarwinismus die Vielseitigkeit durch eine Standardisierung fast aller Bauteile verloren gegangen.
Wer auf Vielseitigkeit und einzigartige Unikate nebst individueller technischer Sonderanfertigungen im Seilbahnbau Wert legt, wird sich nach den alten Zeiten sehnen. Wer auf Rekorde und Effizienz Wert legt, ist 2020 besser aufgehoben als 1957.
Hier also 1957:
https://youtu.be/m2URRejvgBU?t=5Und hier 2019: 7 m/s als EUB, Fahrbetriebsmittel Omega V, alles komplett standardisiert auf maximale Leistungsfähigkeit und Effizienz getrimmt; zur Reduktion der Stützenzahl Einbau von Wechsellaststützen.
https://www.youtube.com/watch?v=DCGdxxvrI_sPerfekter Umstieg zwischen Eisenbahn, Seilbahn und Bus, in der Schweiz Postauto genannt.
Eine völlig andere Welt.
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Fazit: Fast alles ist anders als früher. Einiges ist besser und einiges ist schlechter. Vieles kann man auch gar nicht vergleichen.