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Body Shaming https://www.pinkes-forum.de/forum/viewtopic.php?f=75&t=4297 |
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Autor: | Brexpiprazole [ Di 8. Nov 2022, 22:06 ] |
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Body Shaming ist schlecht. "Health at every Size" als Mantra ist an sich auch schlecht, weil es offensichtlich einfach eine falsche Information streut (Übergewicht ist halt objektiv ungesund), aber es ist in einem deutlich geringeren Maße schlecht als Body Shaming, weil es in der Realität kaum Leute gibt, die diese Einstellung unironisch vertreten. Body Positivity an sich wiederum ist ja im Kern einfach nur "Ich verlerne es bewusst, negative Gedanken über Leute aufgrund deren Aussehen zu haben" - das ist eine Einstellung, die offensichtlich jeder normale Mensch haben müsste. Das Verlernen ist bei sowas auch tatsächlich wichtig; bei vielen Themen im Bereich Akzeptanz ist die Aussage "Das geht mich nicht an, also sage ich nichts dazu" recht schwach, wenn man dann trotzdem noch "Woah ist der fett, der sollte abnehmen" denkt. Seine Denkprozesse zu ändern kann Jahre dauern, aber das ist es schlussendlich, was einen zu einer besseren Person macht. Ich denk da auch an Leute, die zu Homosexualität Zeug sagen wie (und das hat jeder schon mal gehört) "Mir egal was Leute im Schlafzimmer machen, so lange ich es nicht sehen muss" - diese Art von Person will als tolerant verstanden werden, aber hat normal natürlich trotzdem zutiefst homophobe Gedanken - und sagt nur deswegen offen nichts gegen Homosexuelle, weil sie Angst vor gesellschaftlichen Konsequenzen hat. Hätte sie diese Angst nicht, würde sie offener agieren. "Don't ask, don't tell" ist einfach nur passiv-aggressive Berührungsangst. Was haltet ihr von dieser Diskussionsrunde vom ZDF? ARD und ZDF sind mittlerweile kaum mehr unterscheidbar von der Bild-Zeitung, wie sie vor 20 Jahren war.
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Autor: | Paradice [ Di 8. Nov 2022, 22:47 ] |
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Brexpiprazole hat geschrieben: Body Positivity an sich wiederum ist ja im Kern einfach nur "Ich verlerne es bewusst, negative Gedanken über Leute aufgrund deren Aussehen zu haben" Finde man kann Übergewichtige nicht mit Homosexuellen vergleichen, auch wenn beide in der Gesellschaft für ähnliche negative Reaktionen sorgen können. Du hast dich halt sehr auf das Gesellschaftliche fixiert.Für beide kann der Alltag durch verurteilende Menschen sehr belastend sein, das stimmt wohl. Jedoch gibt es einen entscheidenden Unterschied: Übergewichtige Menschen sterben früher und mindern durch ungesundes Verhalten und übermäßiges Essen ihre Lebensqualität. Und sie können idR etwas gegen ihr Übergewicht tun. Homosexualität ist ja einfach nur eine sexuelle Ausrichtung für die man nichts kann. Und da ist das Problem bei der Body-Positivity-Bewegung. Dicke Menschen fühlen sich mehr und mehr bestätigt und lösen sogar Schönheitstrends in den sozialen Medien aus. Klingt erstmal schön. Problem ist nur, dass Übergewichtige nun eine Ausrede haben, nichts für ihre Gesundheit tun zu müssen. Z.B. mehr Bewegung oder Reduktion/Umstellung der Nahrungsaufnahme. Gibt ja mittlerweile auch einige Influencer, die deutlich übergewichtig sind und gleichzeitig die Botschaft vermitteln, dass es gut sei, dick zu sein. Es hilft zwar dicken Menschen, besser damit umzugehen, gibt ihnen gleichzeitig aber auch einen Freifahrtschein, nichts an ihrem Zustand ändern zu müssen. Dadurch entstehen auch diese überemotionalen Mobs, die sobald du das Thema "Gesundheit" ansprichst, sie dich gleich als Fat-Shamer abstempeln, auch wenn du ein gebildeter Arzt bist. |
Autor: | Brexpiprazole [ Fr 11. Nov 2022, 04:28 ] |
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Hab ja nie behauptet, dass es mehr Übergewichtige als Magersüchtige gibt. Das drehst du dir jetzt halt so zurecht, damit es zu deiner Argumentation passt. Ich hab nicht behauptet, dass du das behauptet hast. Der Hinweis war aber trotzdem wichtig.Es geht darum, dass du auf versteckte Gefahren der Body-Positivity-Idee hinweist - kann ich vom Konzept her absolut nachvollziehen, ich hab im Forum bereits sehr ähnliches Zeug geschrieben wie du hier. August 2021: Brexpiprazole @ "If a size 2 is beautiful, then my size 22 must be glorious!" Es ist aber halt relevant, dass man sich das tatsächliche Ausmaß dessen klarmacht, bevor man Alarmglocken schlägt. Drei Posts später spreche ich auch da bereits von Echokammern - die Leute, die da tatsächlich so extrem drauf sind, sind nämlich eine ziemlich konzentrierte Minderheit, und kommen einem nur dann wirklich gefährlich vor, wenn man mit den entsprechenden Echokammern, in denen diese sich bewegen, Kontakt hat. Ich kenn das ja wie gesagt auch. Was, im Gegensatz hierzu, aber tatsächlich weiterhin Mainstream ist, sind krankhaft untergewichtige Models, Influencer, Schauspieler und so weiter. Das hat echten, großen, spürbaren, negativen Einfluss auf die Gesellschaft. Man darf ja auch legit nicht vergessen, dass "Plus Size" bei einer Modelagentur oft bedeutet, dass das Model Normalgewicht hat. Ist kein Witz. https://lablogbeaute.co.uk/index.php/20 ... -as-women/ Jennifer Lawrence gilt als in Hollywood als fett; sie hat nen BMI von ca. 21. Das macht aber halt auch Sinn - neben vielen anderen A-List-Schauspielerinnen sieht sie mit ihrem Normalgewicht gefühlt doppelt so breit aus. Diese wirklich fetten Models, die in den letzten paar Jahren gelegentlich mal auf nem Cover waren, sind wie gesagt Gimmicks, die auf ebendies hinweisen und Diskussion anregen sollen, was als Cause tatsächlich Sinn macht. Da geht es nicht um den Badeanzug. Der Trend entwickelt sich nur relativ schnell. Kommt mir nicht so vor. Die Rate an übergewichtigen Erwachsenen im Westen steigt seit 1945 im Schnitt kontinuierlich immer weiter - da gibt es auch keine größeren Sprünge als normal in den letzten paar Jahren; die Entwicklung geht einfach in derselben Geschwindigkeit weiter wie immer. Damals um die 10%, heute um die 40%. Das ist natürlich viel, und das ist auch ein Problem. Das hat offensichtlich primär damit zu tun, dass gutes Essen und auch ungesundes Essen immer einfacher verfügbar wird und immer weniger Leute körperlich arbeiten. Los ging es halt echt, als der Zweite Weltkrieg endete und zeitgleich Fast Food populär wurde. Immer mehr Auswahl, immer größere Portionen. Wirkt natürlich komisch, wenn ich weiter oben von dem negativen Einfluss spreche, den stark untergewichtige Models haben, aber das widerspricht sich nicht. Übergewicht ist ein steigendes Problem, und psychische Krankheiten wie Essstörungen auch. In den letzten paar Jahren gab es da tatsächlich einen überproportionalen, massiven Anstieg. https://www.bptk.de/corona-immer-mehr-e ... gendlichen Dafür werden auch wirklich Plattformen wie Instagram relevant mitverantwortlich gemacht, die Jugendliche permanent mit Thinspo-Inhalten zuballern. https://www.techtransparencyproject.org ... r-epidemic Auch dieses Forum hier hatte ja zu Beginn viele sehr aktive Threads zu Hilfe bei Essstörungen, wo man den negativen Einfluss von Social Media (damals primär Tumblr) auch sehr gut beobachten konnte. Ich hab 2018 eine Studie gepostet, die besagt, dass die Normalisierung von Plus Size für mehr Übergewicht sorgt. Direkt über dem einen Post, den ich schon verlinkt habe. Brexpiprazole @ "If a size 2 is beautiful, then my size 22 must be glorious!" Das widerspricht massiv meiner Aussage hier im Thread, dass niemand fett ist, weil er mal ein fettes Model gesehen hat. Ich hab mir die Studie eben nochmal angeschaut - sie ist flawed as fuck und ich hätte sie damals nicht verlinken sollen. In dieser Studie werden zwei Dinge festgestellt: 1. Die Anzahl an Übergewichtigen stieg in den letzten Jahren immer weiter 2. Es gibt jetzt in den Läden Plus-Size-Kleidung Der Schlusszug ist dann: "The upward trend in underassessment of overweight and obesity status in England is possibly a result of the normalization of overweight and obesity." Es gibt keine Indizien für einen Zusammenhang. Ich erkläre ja selbst weiter oben, dass die Anzahl an Übergewichtigen bereits seit fast 80 Jahren kontinuierlich immer weiter steigt; das überhaupt zu unterschlagen ist hochgradig deceptive. Die Studie wurde direkt nach der Veröffentlichung wegen unwissenschaftlicher Arbeit kritisiert: https://research-information.bris.ac.uk ... ersion.pdf Aber an dem Punkt wurde sie bereits in dutzenden Outlets zitiert und der Schaden war angerichtet. Man kann das genauso gut rückwärts betrachten - vielleicht ist es einfach notwendig (sowie kapitalistisch sinnvoll), dass größere Klamotten leichter erhältlich sind, weil es jetzt so viele dicke Leute gibt die sowas kaufen wollen. D.h. das Angebot wird an die Realität angepasst. Ich sage, dass dicke Models dafür sorgen, dass bereits dicke Menschen keinen Grund mehr sehen könnten, abzunehmen. Gibt dir nen random Post im Internet, wo so ein dickes Model gezeigt wird; die werden immer sofort und ohne Ende beleidigt und attackiert. Ich kann mir den Effekt nicht wirklich vorstellen.
Man muss nicht morbide adipös sein, reicht auch schon, wenn man fortgeschritten übergewichtig ist. Davon gibt es wiederum viele Leute. Der negative Effekt, den niedriges Übergewicht auf die Gesundheit hat, ist nicht ausufernd und akut gefährlich. Bzw. klar, am Ende wirkt sich das dann oft durch ein ne ganze Ecke kürzeres Leben als es möglich wäre aus; es gibt keine dicken 100-Jährigen und nur sehr wenige dicke 70-Jährige. Sowas sind dann aber Entscheidungen, die man für sich selbst treffen muss. Die meisten Genussmittel sind hochgradig ungesund. Will ich lieber 80 Jahre alt werden, oder will ich in meinem Leben lieber viel Bier trinken? Es gibt da halt echt viele Leute, die sich bewusst für zweiteres entscheiden würden; ich kann da das Problem kaum sehen. Übergewicht als gesamtgesellschaftliches Problem ist da natürlich nochmal was anderes. Der Staat versucht es ja immer wieder mit Aufklärungskampagnen zu gesunder Ernährung. Bei Kindern ist das tatsächlich nochmal wichtiger als bei Erwachsenen; ein übergewichtiger Körper im Wachstum nimmt mehr Schaden als ein bereits ausgewachsener Körper. Deshalb konzentrieren sich viele dieser Kampagnen auf Schulen. Ist halt schwer, wenn Fast Food, Süßkram usw. so easy überall verfügbar sind. Verbieten willst du das auch nicht, da bewegst du dich in Richtung des kommunistischen Nordkoreas oder dergleichen. Die Aufwärtskurve werden wir kaum manuell bremsen können. Mit Glück helfen halt die Klimakatastrophe und der Dritte Weltkrieg; d.h. die 2030er sind ein gleißender Lichtblick. |
Autor: | Phreya [ Fr 18. Nov 2022, 16:10 ] |
Betreff des Beitrags: | Body Shaming |
Ich habe die Diskussion tatsächlich auch gesehen. Meine Hauptgedanken dazu waren: 1. Der Arzt hat mit vielem was er sagt recht. Ein Punkt, an dem ich ihm nicht zustimmen kann, ist seine Aussage, dass der Körper ein Wunder sei, für den man dankbar sein müsse. Damit haut man halt Menschen in die Fresse, die unter ihrem Körper leiden und die wirklich nichts daran ändern können. Man muss seinen Körper nicht unter Zwang lieben. Und - da stimme ich Brex zu - man hat auch keine Pflicht, ihn gut zu behandeln. Solche Aussagen sind übergriffig. 2. Die Frau, die sich beschwert, dass "Body Positivity" von "normal-schönen" Menschen missbraucht wird, halte ich nicht für repräsentativ. Es mag solche Personen geben, aber ich bezweifle, dass diese die Mehrheit ausmachen. Generell wirft sie ein recht schlechtes Licht auf die Bewegung, weil sie sehr emotional reagiert und Fakten wegwischt. Die meisten Übergewichtigen (insbesondere die, die sich in dem Umfeld aufhalten) wissen, dass ihre Lebensweise für den Körper nicht gesund ist. Es gibt viele, die das Ziel haben, abzunehmen, ohne sich mit ihrem jetzigen Körper hassen zu müssen. Manche sehen psychische Gesundheit und Abnehmen aber auch als Widerspruch und entscheiden sich dann dazu, ihre psychische Gesundheit über ihre körperliche Gesundheit zu stellen. Wenn sie das tun, ist das ihre Entscheidung. 3. Ich fand den Gedankenanstoß der Moderatorin zu "Body Neutrality" gar nicht so schlecht. Halte das aber für nicht umsetzbar, da das keinen guten Hashtag abgibt lol. Wie will man sich mit Neutralität profilieren? 4. Ich finde, dass die kleinwüchsige Frau zu wenig Aufmerksamkeit bekommen hat. Generell wurde die Diskussion sehr vom Thema Übergewicht dominiert, obwohl sich Body Positivity eben nicht nur darum dreht. Besonders wichtig fand ich ihre Anmerkung, dass sie als Model nur sehr selektiv gebucht wird. Also nur dann, wenn ihre Behinderung explizit im Fokus stehen soll. Das zeigt, dass viel Diversity-Marketing nur Show ist und dass die Gesellschaft noch weit davon entfernt ist, Menschen mit abweichenden Körpertypen auch im Alltag gegenüber aufgeschlossen zu begegnen. Paradice hat geschrieben: Ich sage, dass dicke Models dafür sorgen, dass bereits dicke Menschen keinen Grund mehr sehen könnten, abzunehmen. Das ist ein Kritikpunkt, der oft genannt wird. Tatsächlich gibt es noch nicht so viele Untersuchungen zu dem Thema. Spontan habe ich diese Studie hier gefunden: https://sci-hub.st/10.1177/1359105320912450 Kernpunkte zu der genannten Sorge: 1. Es gibt bisher keine Evidenz dafür, dass Body-Positivity-Content zu ungesundem Verhalten oder Übergewicht führt. 2. Es gibt allerdings Evidenz dafür, dass Thin- und Fitspiration dickere Menschen stigmatisiert, was nicht zu Abnehm-Motivation, sondern stattdessen zu Resignation und weiterer Gewichtszunahme führt. 3. Body-Positivity-Inhalte propagieren Sport und gesundheitsfördernde Maßnahmen "at any size". Spoiler: The case for body positivity on social media: Perspectives on current advances and future directions (Rachel Cohen, Toby Newton-Johnand Amy Slater, 2020)
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